Kirpal Singh

 

Das Rad des Lebens

 

KARMA

 

(Das Gesetz von Ursache und Wirkung)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Kirpal Books

 

Herausgabe und Übersetzung: Erhard Donig, Sandstr. 26, 82110 Germering

 

September 2008

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Dem Allmächtigen Gott gewidmet,

der durch alle Meister wirkt, die gekommen sind,

und Baba Sawan Singh Ji Maharaj,

zu dessen Lotosfüßen der Autor

das heilige Naam – das Wort - aufnahm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Kapitel I                                                                                           7

Kapitel II                                                                                        12

Kapitel III                                                                                      20

Kapitel IV                                                                                       25

Kapitel V                                                                                        33

 

Anhang I

Die wahre Lebensweise                                                              39

Ahar oder Ernährung                                                                  41

Vihar oder soziales Verhalten                                                   46

 

Anhang II

Das Leben der Selbsthingabe                                                    48

 

Karma – Ein Brief von Meister Sawan Singh                      51

 

Das Gesetz des Karma

Handschriftliche Notizen von Sant Kirpal Singh                  57

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Alles im Universum folgt einem

gerechten Gesetz,

dem Gesetz der Kausalität,

dem Gesetz von Ursache und Wirkung,

dem Gesetz des Karma.

 

                                       Gautama Buddha

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

I

 

 

Irret euch nicht! Gott läßt sich nicht spotten.

Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.

 

                                                   Galater 6,7

 

Wenn der Mensch den Schwierigkeiten des erdgebundenen Lebens gegenübersteht, ringt er um einen Ausweg. Wohin er sich auch wen­det, sieht er seinen Weg nach oben durch unsichtbare Hindernisse versperrt. Warum all die scheinbaren Ungleichheiten auf der Welt? Warum ist dem Menschen der Weg zu seiner ursprünglichen Hei­mat — der Heimat seines himmlischen Vaters — verwehrt? Warum kann er nicht seiner unbekannten Vergangenheit entfliehen? Wohin soll er sich wenden, um das rettende Licht der »Reinen Wissenschaft des Seins« zu finden? Diese Fragen führen den suchenden Geist zur Erforschung des umfassenden Gesetzes von Ursache und Wirkung.

Der Begriff »Karma« wird in den vielen philosophischen und religiö­sen Schriften Indiens häufig verwandt. Von den Priestern und Pre­digern wurde er in der Tat so oft auf negative Weise gebraucht, daß viele dazu gelangten, ihn als vermeintliches Hindernis auf dem Weg zur spirituellen Erlösung anzusehen. Da er dem Westen fremd ist, wird er gewöhnlich ohne genügende Erklärung übergangen. Alle Meister niederer Grade oder Stufen sprechen von Befreiung durch das Vollbringen von Handlungen, ohne an ihre Früchte oder Aus­wirkungen gebunden zu sein oder nach ihnen zu verlangen. Doch das ist nur eine Teilwahrheit und halbes Wissen.

Das Gemüt ist es gewohnt, die Frucht seiner Handlungen zu kosten. Wie kann es diese Gewohnheit aufgeben? Sadhans (geistige und kör­perliche Übungen) mögen als Mittel dienen, das Gemüt in gewissem Ausmaß zu schulen. Doch auf die Dauer wird sich seine Ge­wohnheit, sich der Erfahrungen zu erfreuen, durchsetzen. Das Ge­müt kann die weltlichen Freuden nur aufgeben, wenn es eine Art höherer Freude erfährt.

Indem sie sich mit Naam (dem Wort Gottes oder dem göttlichen Tonprinzip) verbanden, erfuhren die Heiligen eine weitaus größere Freude — ein ekstatisches Glück. Wenn das Gemüt einmal in diesen Tonstrom oder Naam vertieft ist, wendet es sich von der Welt ab. Es ist gewohnt, weltlichen Dingen nachzulaufen und sich von einer Sache auf die andere zu stürzen. Wir brauchen es nun nicht an seiner Bewegung zu hindern, die ein ganz natürlicher Ausdruck seines We­sens ist, sondern nur seine Richtung nach unten in die äußere Welt nach oben in die innere Welt umzukehren. Das heißt, wir müssen unsere wandernden Gedanken kontrollieren und die geistigen Ener­gien in rechte Bahnen lenken, um uns dauerhafter und beständiger Ergebnisse zu versichern. Das wird durch regelmäßiges Üben oder Vertieftsein in Naam erreicht. Das ist die einzige Weise, das Gemüt allmählich zu schulen und durch Verfeinerung der Geistesströme schließlich unschädlich zu machen; dann kommt die Seele zu sich und kann den Weg zu ihrer ursprünglichen Quelle — der Überseele oder All-Seele — frei und ungehindert beschreiten. So können die Heiligen, die diesen Pfad selbst gegangen sind — den Pfad des »Surat Shabd Yoga« (Vertieftsein in das Heilige Wort oder den Heiligen Ton) -, uns nicht nur befähigen, uns vom karmischen Kreislauf von Handlung und Rückwirkung zu befreien, sondern uns auch den Zu­tritt zum Reich Gottes, das in uns liegt, gewähren.

Nun erhebt sich die Frage: Wie können die Karmas ausgelöscht oder unwirksam gemacht werden? Für jene, die wirklich auf der Suche nach Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis sind, gibt es einen Aus­weg aus dem Labyrinth der Naturgesetze, in dem wir sonst unent­rinnbar gefangen sind. Der Zutritt zu diesem Ausgang oder der Weg heraus aus diesem karmischen Dschungel, der sich unvorstellbar weit in die Vergangenheit erstreckt, wird uns durch die erlösende Gnade des wahren Meisters enthüllt. Wenn er uns einmal in seine Obhut genommen und mit dem ewigen, heiligen Wort oder dem Tonstrom verbunden hat, sind wir nicht mehr in Reichweite von »Yama«, dem Todesengel, der den negativen Aspekt der Höchsten Kraft darstellt und jedem einzelnen im Universum entsprechend sei­ner Taten Gerechtigkeit zuteil werden läßt.

Jede Tat eines lebenden Wesens verursacht Karma, ob wissentlich oder unwissentlich vollbracht und ganz gleich, ob noch in latenter Form als Gedanke oder geistige Schwingung, als gesprochenes Wort oder tatsächliche Handlung verübt.

Damit der Leser durch den Begriff „Karma“ nicht verwirrt wird, ist es wohl angebracht, dieses Wort in seinem rechten Zusammenhang zu erklären. Das Wort Karma bedeutete ursprünglich Opferbräuche und Rituale und umfaßte „yajnas“, die vom einzelnen nach den An­weisungen der Heiligen Bücher vollzogen wurden. Jedoch später schloß es alle Arten von Tugenden, soziale und selbstreinigende, wie Wahrhaftigkeit, Reinheit, Enthaltsamkeit, Mäßigkeit, Ahimsa, allumfassende Liebe, selbstloses Dienen und alle Taten wohltätiger und menschenfreundlicher Art ein. Kurz gesagt, man legte großen Nachdruck auf die Entfaltung der Atam-gunas, die dabei helfen, das Gemüt zu beherrschen und die geistigen Kräfte in die rechte Rich­tung zu lenken, um dem höheren Zweck der Befreiung des Atman oder des gefangenen Geistes zu dienen.

Die Karmas werden im allgemeinen in verbotene, erlaubte und vor­geschriebene eingeteilt. Alle Karmas erniedrigender und schädlicher Art (Nashedh) werden zu den verbotenen gerechnet, da sich dem Laster hinzugeben Sünde und der Sünde Sold der Tod ist. Man be­zeichnet sie als Kukarmas oder Vikarmas. Als nächstes kommen die erhebenden Karmas, die einem Menschen helfen, höhere Ebenen wie Swarag, Baikunth, Bahist oder das Paradies zu erreichen. Das sind die Sukama-Karmas oder Sukarmas; Karmas, die man ausführt, um gute Wünsche oder Bestrebungen zu verwirklichen und die da­her zulässig und erlaubt sind. Schließlich gibt es noch Karmas, deren Erfüllung den Angehörigen der verschiedenen Varns oder Gesell­schaftsschichten von den Schriften vorgeschrieben wird und die man als unumgänglich betrachtet (die soziale Ordnung besteht aus der Klasse der Brahmanen oder der Priesterschaft, die sich mit dem Studium der Lehre der Schriften befaßt; den Kshatriyas oder der Kriegerkaste, die eine Streitmacht zu Verteidigungszwecken bildet; den Vaishyas oder Menschen, die von Handel oder Landwirtschaft leben; und den Sudras, die den anderen drei Klassen dienen) und durch die auch die verschiedenen Lebensabschnitte, die man Ashrams nennt, bestimmt werden. (Die vier Ashrams: Brahmcharya, Grehastha, Vanprastha und Sanyas, stimmen in etwa mit den Perioden der Erziehung und Bildung, des Ehelebens als Familienva­ter, des Asketentums als Entsagender oder Einsiedler, der sich in der Abgeschiedenheit eines Waldes in tiefe Meditation versenkt, und zuletzt mit der Stufe des spirituellen Pilgers, der den Menschen die Frucht seiner lebenslangen Erfahrung vermittelt, überein. Bei einer Lebensspanne von 100 Jahren umfaßt jeder dieser Abschnitte einen Zeitraum von 25 Jahren.) Sie werden Netya-Karmas genannt oder Karmas (Handlungen) deren Ausführung in Beruf und allen Lebens­lagen ein tägliches "Muß" für einen jeden ist.

Als Richtlinie ethischen Verhaltens leistet das karmische Gesetz ei­nen wertvollen Beitrag zum materiellen und moralischen Wohler­gehen des Menschen auf der Erde und bereitet den Weg zu einem besseren Leben in der Zukunft. In allen vier Bereichen des mensch­lichen Lebens — dem weltlichen, dem materiellen oder wirtschaft­lichen, dem religiösen und dem spirituellen; wie durch die Begriffe "Kama" (Erfüllung der Wünsche), "Artha" (wirtschaftliches und ma­terielles Wohlergehen), "Dharma" (die moralische und religiöse Grundlage, die das Universum trägt und erhält) und "Moksha" (Erlösung) angedeutet, — spielen die Handlungen oder Karmas eine entscheidende Rolle. Die moralische Reinheit stellt natürlich die bestimmende Kraft einer jeden Bemühung dar. Und damit die Karmas auch die gewünschte Frucht tragen, ist es notwendig, sie mit ungeteilter und zielbewußter Aufmerksamkeit und liebevoller Hin­gabe auszuführen.

Daneben gibt es noch eine andere Art von Karma — das Nish-Kama-Karma, das ohne jede Gebundenheit oder Wunsch nach sei­nen Früchten oder Auswirkungen vollbracht wird. Es ist allen ande­ren Arten von Karma überlegen, die mehr oder weniger eine Quelle der Gebundenheit sind; und es vermag einen in geringem Ausmaß sogar von der karmischen Gebundenheit, doch nicht von den Aus­wirkungen des Karmas selbst zu befreien. Man sollte jedoch zur Kenntnis nehmen, daß Karma an sich keinerlei bindende Wirkung hat. Einzig Karma, das aus "Kama" oder dem Wunsch geboren ist, führt zu Gebundenheit. Aus diesem Grund lehrte Moses "nicht zu begehren", und darum legten Buddha und der zehnte Guru der Sikhs, Guru Gobind Singh, immer wieder solch großen Nachdruck auf die Notwendigkeit, wunschlos zu sein. Karma ist also zugleich Mittel wie auch Ziel allen menschlichen Strebens. Denn durch Kar­mas überwindet und überschreitet man die Karmas. Jeder Wunsch, das karmische Gesetz zu umgehen, ist so sinnlos, wie der, über den eigenen Schatten zu springen. Das höchste Ziel ist, Neh-karma oder Karma-vehat zu werden, das heißt, Karma in Übereinstimmung mit dem göttlichen Plan, als bewußter Mitarbeiter der Gotteskraft aus­zuführen: tatenlos in der Tat zu sein, wie der ruhende Punkt im sich unaufhörlich drehenden Rad des Lebens.

Wiederum muß man den Begriff Karma und das Wort Karam unter­scheiden. Karma kommt aus dem Sanskrit und bedeutet Handlung oder Tat und umfaßt auch geistige Schwingungen und gesprochene Worte, während das persische Wort Karam Güte, Mitleid, Barm­herzigkeit oder Gnade ausdrückt.

Was nun das Wesen des Karma betrifft: nach derJain-Philosophie ist es stofflicher Natur, geistig und körperlich zugleich, wobei das eine mit dem anderen als Ursache und Wirkung verbunden ist. Das ganze Universum wird von Materie in feinster und psychischer Form durchdrungen. Und sie durchdringt selbst die Seele, da diese in einer Wechselwirkung zur äußeren Materie steht. Auf diese Weise baut sich der Jiva sein eigenes Nest gleich einem Vogel und wird durch das, was man Karman-Srira oder den feinstofflichen Körper nennt, gefangen und bleibt in ihm gebunden, bis sein empirisches Selbst entpersönlicht und zur reinen Seele wird, die in ihrem angeborenen Glanz erstrahlt.

Karman-Srira oder die karmische Hülle, die die Seele umschließt, besteht aus acht Prakritis, die den acht Arten karmischer Atome ent­sprechen und verschiedene Wirkungen auslösen, die von zweifacher Art sind:

 

   1. Karmas, die die rechte Sicht trüben, wie zum Beispiel:

   a) Darsan-avarna, das die rechte Wahrnehmung oder das rechte Verstehen im

       allgemeinen behindert;  

   b) Janan-avarna, das die rechte Einsicht oder das Begriffsvermögen begrenzt;

   c) Vedaniya, das die der Seele angeborene glückselige Natur beeinträchtigt und

       also angenehme oder schmerzliche Gefühle hervorruft; und

   d) Mohaniya, Karmas, die den rechten Glauben, das rechte Vertrauen und das

       rechte Ver­halten erschweren. Alle diese Karmas wirken wie rauchgeschwärzte

       Gläser, durch die wir die Welt und alles, was zur Welt gehört, wahr­nehmen. In

       der Sprache der Dichter wurde das Leben als "Dom aus vielfarbigem Glas"

       beschrieben, der "die weiße Strahlung der Ewig­keit bricht."

 

   2. Dann gibt es Karmas, die den Menschen zu dem machen, was er ist, denn durch sie werden

   a) der physische Körper;

   b) Alter und Lebensdauer;

   c) der gesellschaftliche Rang und

   d) die geistige Be­schaffenheit bestimmt. Sie sind als Naman, Ayus, Gotra und

       Antraya bekannt.

 

Diese Arten werden wiederum in Gruppen und Untergruppen ge­gliedert, die Hunderte von Verzweigungen bilden. Die karmischen Partikel, die sich im Raum verteilen, werden wohl oder übel von jeder Seele entsprechend den Erfordernissen der Tä­tigkeit angezogen, der sie sich gerade hingibt. Diesem ständigen Zu­fluß von Karma kann man nur Einhalt gebieten, wenn man die Seele von jeder Art Tätigkeit von Körper, Gemüt und Sinnen befreit und sie an ihrem eigenen Zentrum festigt und gleichzeitig die angesam­melten Karmas durch Fasten, tapas, saudhyaya, vairagya, prashchit dhyan und ähnliches, das heißt durch Enthaltsamkeit, das Lesen heiliger Schriften, Loslösung und Reue, Meditation usw., verringert.

Auch Buddha legte großen Nachdruck auf ständiges Mühen und Ringen, um den schließlichen Sieg über das Gesetz des Karma zu erlangen. Die Gegenwart mag durch die Vergangenheit bestimmt sein, doch die Zukunft ist unser und hängt vom bestimmenden Willen des Einzelnen ab. Die Zeit ist ein nicht endendes Ganzes — die Vergangenheit führt unausweichlich zur Gegenwart und die Ge­genwart zur Zukunft, wenn man so sagen will. Das Karma verliert nur dann seinen Einfluß, wenn man den höchsten Gemütszustand, der jenseits von Gut und Böse liegt, erlangt hat. Mit der Ver­wirklichung dieses Ideals ist all unser Ringen beendet, denn was ein Befreiter auch immer tut, das geschieht ohne Gebundenheit. Das sich unaufhörlich drehende Lebensrad wird durch die karmische Energie angetrieben; und wenn sich diese Kraft erschöpft, kommt dieses riesige Rad des Lebens zum Stillstand, denn dann erreicht man einen Punkt, wo sich Zeit und Zeitlosigkeit berühren, einen Punkt, wo man stets in Bewegung bleibt und im Innersten doch be­wegungslos ist. Das Karma gibt uns einen Schlüssel zum Verständnis der Lebensvorgänge; und dann erhebt sich unser Bewußtsein von Stufe zu Stufe, bis wir zum völlig Erwachten oder Buddha (der Er­leuchtete oder Seher des Heiligen Lichts) geworden sind. Buddha war weit davon entfernt, das Universum als bloßen Mechanismus zu sehen; er betrachtete es vielmehr als Dharma-Kaya oder einen Kör­per, der vom Dharma oder dem Lebensprinzip vibriert, das ihm gleichzeitig als Hauptstütze dient.

Kurz gesagt, stellt das karmische Gesetz ein strenges und unerbittli­ches Naturgesetz dar, von dem es kein Entkommen gibt und das keine Ausnahmen macht. „Wie du säst, so wirst du ernten", ist eine uralte, grundlegende Wahrheit, die unser ganzes irdisches Leben bestimmt. Ihre Gültigkeit erstreckt sich auch auf manche der höhe­ren materiell-spirituellen Bereiche, entsprechend dem Grad ihrer Dichte und ihrer besonderen Beschaffenheit. Karma ist das höchste Prinzip, das über Götter und Menschen herrscht, denn auch die Götter kommen früher oder später unter seinen Einfluß. Die vielen Götter und Göttinnen in den mannigfachen Schöpfungsebenen brauchen eine weitaus längere Zeit als der Mensch, um in ihrer je­weiligen himmlischen Sphäre zu dienen; aber auch sie müssen sich schließlich im menschlichen Körper inkarnieren, bevor sie die end­gültige Befreiung vom karmischen Kreislauf der Geburten erstreben und erlangen können.

Alle Arbeit, alles Handeln oder Tun bewirkt etwas Wesentliches im göttlichen Plan, wodurch der Ablauf des gesamten Universums in vollendeter Ordnung gehalten wird. Keiner kann auch nur einen einzigen Augenblick ohne irgendeine Tätigkeit (geistiger oder kör­perlicher Art) sein. Stets denkt oder tut man das eine oder das andere. Wir können unserer Natur nach nicht geistig leer oder untätig sein, noch vermögen wir die Sinne an ihrem unwillkürlichen Wirken zu hindern: die Augen können nicht anders als sehen und die Ohren nicht anders als hören; und das Schlimmste ist, daß wir wie Penelope, das, was einmal getan ist, nicht ungeschehen machen können. Reue, obwohl an sich gut, kann die Vergangenheit nicht ändern. Was immer man denkt, spricht oder tut, ob gut oder schlecht, hinterläßt einen tiefen Eindruck im Gemüt; und diese angesammelten Eindrücke formen den Einzelnen zum Guten oder zerstören ihn. Wie man denkt, so wird man. Unser Mund spricht aus der Überfülle des Herzens. Jede Handlung hat eine Rückwirkung, wie es das Naturge­setz von Ursache und Wirkung bestimmt. Man hat demnach die Früchte seines Handelns zu ernten: süß oder bitter, je nachdem und ob es einem gefällt oder nicht.

Gibt es da kein Heilmittel? Ist der Mensch ein bloßes Spielzeug sei­nes Loses oder Schicksals, das sich seinen Weg auf gänzlich vorher­bestimmte Weise bahnt? Die Sache hat zwei Seiten. Wir haben bis zu einem gewissen Ausmaß einen freien Willen, mit dem wir unser Tun bestimmen und unsere Zukunft zum Guten oder Schlechten wen­den und selbst die lebendige Gegenwart in großem Ausmaß zu un­serem Nutzen formen können. Mit der lebenden Seele ausgerüstet, die vom gleichen Wesen wie ihr Schöpfer ist, ist der Mensch mäch­tiger als das Karma. Das Unendliche in ihm kann ihm helfen, die Begrenzungen des Endlichen zu überschreiten. Die Freiheit zu Han­deln und die karmische Gebundenheit sind nur zwei Seiten der einen Wirklichkeit in ihm. Nur der mechanische und materielle Teil in ihm unterliegt den karmischen Begrenzungen, während der wirkliche und lebendige Geist in ihm alles überschreitet und von der karmischen Last kaum berührt wird, wenn er in seiner angeborenen göttlichen Natur begründet ist. Wie aber kann man in seinem eige­nen wirklichen "saroop" (Form), dem "Atman", begründet sein? Das ist es, was wir notgedrungen lernen müssen, wenn wir danach stre­ben, einen Ausweg aus der endlosen karmischen Verstrickung zu finden.

Die meisten unserer Schwierigkeiten rühren daher, daß wir nicht überlegen, was wir tun. Bei jedem Schritt fahren wir sorglos fort, eine Menge karmischer Partikel anzusammeln, ohne zu Bedenken, daß es eine Kraft in uns gibt, die alles aufzeichnet, was wir denken, spre­chen oder tun. Thomas Carlyle, ein berühmter Denker, sagte: „Du Narr! Glaubst du, weil kein Boswell da ist, deine Worte zu vermerken, sie darum vergehen oder vergessen sind? Nichts stirbt, nichts kann vergeh’n. Das nichtigste Wort, das du sprichst, ist eine Aussaat in die Zeit, die Frucht trägt alle Ewigkeit." Gleiches sagt uns Äschylus, der Vater des griechischen Dramas vorchristlicher Zeit:

Tief im unteren Himmel

lenkt der Tod die Wege des Menschen

mit strenger und starker Hand.

Und es gibt keinen, der seinem wachsamen Auge

und unfehlbarem Geist

durch irgendeine Macht oder Tat zu entgehen vermag.

 

                                              Aus den "Eumeniden "

 

 

II

 

Die Karmas wurden von den Heiligen in drei verschiedene Katego­rien eingeteilt:

a) Sanchit oder die angesammelten und aufgespeicherten Karmas, die aus früheren Inkarnationen stammen und weit in die unbe­kannte Vergangenheit zurückfuhren.

b) Pralabdha: Zufall, Bestimmung oder Schicksal oder jener Teil des Sanchit (des Vorratskarmas), der die lebendige Gegenwart eines Menschen bestimmt und dem keiner entfliehen kann, wie sehr er es auch wünschen und versuchen mag.

c) Kriyaman: Die Karmas, die in diesem irdischen Dasein oder der gegenwärtigen Lebenszeit ganz unserem freien Willen unterlie­gen und mit denen wir unsere Zukunft zum Guten wenden oder zerstören können.

 

a) Sanchit (aufgespeicherte Handlungen): Die guten oder schlechten Taten, die unser Guthaben bilden, das wir uns in all den früheren Leben in der Schöpfungsordnung erworben haben und das bis zu dem Tag zurückreicht, an dem das Leben auf der Erde zum ersten Mal in Erscheinung trat. Der Mensch weiß nichts über sie oder ihr Ausmaß und ihre große, verborgene Macht. König Dharitrashtra, der blinde Ahne der Kschatriya-Prinzen, der Kuravas des Epischen Zeitalters, konnte die Ursache seiner Blindheit erst erkennen, als ihm Krishna seine Yoga-Kraft übertrug. Sie war die Folge einer Handlung in unbekannter Vergangenheit, die über 100 Inkarnationen oder Verkörperungen zurücklag. Im 2. Buch Moses 20.5, sagt Moses, während er die zehn Gebote Gottes verkündet, daß Gott uns er­mahnt: "Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heim­sucht der Väter Missetat bis in das dritte und vierte Glied..." Selbst die Medizin bestätigt uns heute die bedeutende Rolle der Vererbung und führt die Ursache bestimmter Krankheiten auf die Vorfahren zurück und zeigt, wie sie in den nachfolgenden Generationen zur Auswirkung kommen. Gleicherweise bringt die moderne Psycholo­gie das problematische Verhalten mancher Menschen mit geistigen Besonderheiten ihrer Eltern und Ahnen in Verbindung.

b) Pralabdha: Das ist genau der Teil der Sanchit-Karmas, der die Fü­gung, Bestimmung oder das Schicksal eines Menschen bildet und die Ursache unseres gegenwärtigen Daseins auf Erden ist. Wir ha­ben keine Macht über diese Karmas und müssen ihre Auswirkun­gen, ob gut oder schlecht, nach bestem Vermögen ertragen — lä­chelnd oder mit Tränen. Das gegenwärtige Leben ist einfach eine Entfaltung oder Offenbarung der vorher festgelegten Karmas, mit denen wir vollbeladen in die Welt kommen. Durch die Gnade ei­ner Meisterseele ist es jedoch möglich, das innere Selbst so zu for­men und zu entwickeln, daß man ihren bitteren und schmerzvol­len Stachel nicht mehr empfindet, so wie der Stich einer Nadel den Kern einer reifen Mandel oder Walnuß nicht berührt, da er sich von der äußeren Schale gelöst hat, die dadurch austrocknete und hart wurde und ihm seither als schützender Panzer dient.

Auf diese Weise schmiedet jeder von uns bereitwillig oder wider­willig, wissentlich oder unwissentlich seine Ketten, ganz gleich, ob sie aus Gold oder Eisen sind. Ketten bleiben stets Ketten, und sie sind beide gleich wirksam, einen Menschen in beständiger Gebunden­heit zu halten. Wie eine arme Seidenraupe in ihrem Kokon gefan­gen oder eine Spinne in ihrem eigenen Netz gefesselt ist oder wie ein Vogel in seinem Nest wohnt; so bleiben wir in selbstgeschmie­deten Stahlringen ohne jeden Ausweg gebunden. Auf diese Weise wird der Zyklus von Geburt, Tod und Wiedergeburt unaufhörlich in Bewegung gehalten. Nur wenn man das Körperbewußtsein über­schreitet und Neh-Karma wird, das heißt tatenlos in der Tat, wie der stille Punkt im Zentrum des sich ewig drehenden Lebensrades, wird der Bewegung des gewaltigen karmischen Rades Einhalt geboten, denn dann wird man ein bewußter Mitarbeiter am göttlichen Plan.

Das ist der Grund, warum Buddha, der Prinz unter den Asketen, nachdrücklich sagte: "Seid wunschlos!", denn die Wünsche sind die Grundursache des menschlichen Leids, da sie alle Handlungen aus­lösen, beginnend mit den feinen Schwingungen im Unterbewußt­sein bis hin zu den Denkvorgängen des Bewußtseins, die dann zu der ungeheuren und grenzenlosen Ernte mannigfaltiger Taten ver­schiedener Farben und Formen führen, die der Unausgewogenheit des Gemüts entspringen. So wird der im Körperwagen sitzende Geist durch die fünf kraftvollen, von dem machtberauschten Wagenlen­ker — dem hilflosen und unausgeglichenen Gemüt — nicht be­herrschten Sinnesrossen mit ihren lose herabhängenden Zügeln des Verstandes blindlings und kopfüber in den Bereich der Sinnes­freuden hineingezogen. Selbstdisziplin ist also von höchster Be­deutung; und Keuschheit in Gedanken, Worten und Taten ist ein unerläßliches Erfordernis, das einem Menschen hilft, den Weg der Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis zu beschreiten, denn ein ethi­sches Leben ist das Sprungbrett zur Spiritualität.

c) Kriyaman: Es ist die laufende Abrechnung unserer bewußt ver­übten Handlungen und Taten in diesem gegenwärtigen Dasein. Diese Art von Karma ist ganz anders als die ersten beiden. Ungeach­tet der Grenzen, die uns das Pralabdh-Karma oder die unabänder­liche Bestimmung auferlegt, ist jeder Mensch mit einem freien Willen begabt und gleicherweise frei, die Saat zu säen, die er ernten will. Mit der Gabe der Unterscheidungskraft ausgestattet, die allein dem Menschen zu eigen ist, kann er selbst beurteilen, was recht und was falsch ist; und daher wäre es unvernünftig und überheblich von ihm, ein Bett aus Rosen zu erwarten, wo er Disteln und Dornen sät. Es liegt ganz an ihm, die Zukunft nach seinem Willen zum Guten zu formen oder zu zerstören. Eine Meisterseele kann ihm die rechte Führung geben, indem sie ihm die wahren Werte des Lebens dar­legt — eines Lebens, das mehr ist als das körperliche Gewand und alles, was es mit einem von den Sinnen beherrschten Dasein verbindet. Unter seiner Führung entwickelt man sich und löst sich leicht von der Welt und dem weltlichen Geschehen; und wenn einmal der magische Zauber gebrochen ist, blickt einem die nackte Wirklichkeit unverhüllt ins Gesicht und bietet dadurch die günsti­ge Gelegenheit, unversehrt zu entkommen. Gewöhnlich tragen je­doch einige der Kriyaman-Karmas noch in diesem Leben Frucht, während andere — die nicht zur Reife gelangten — dem großen Konto der Sanchit-Karmas übertragen werden, das von Zeitalter zu Zeitalter zunimmt. So ist es einem jeden von uns gegeben, recht­zeitig zu überlegen und die Folgen seiner beabsichtigten Handlun­gen und Taten gut abzuwägen, bevor er einen unwiderruflichen Schritt wagt — einen Sprung ins Dunkle oder einen unüberlegten Sturz in einem auf ewig bereuten Anfall von Heftigkeit, den er aber nicht ungeschehen machen kann, indem er dem vermeintlich un­heilvollen Einfluß der Sterne die Schuld zuweist. Ein Eisenbahn-Ingenieur zum Beispiel muß die Geleise im voraus planen, denn wenn sie einmal gelegt sind, fährt der Zug blindlings darauf. Ein kleiner Fehler beim Legen der Schienen, eine lockere Befestigung oder ein falscher Winkel können verhängnisvolle Folgen haben. Selbst wenn alles recht getan ist, muß er Tag und Nacht beständig und sorgsam wachen, daß nicht irgend etwas aus den Fugen gerät oder die Geleise womöglich von böswilligen Menschen beschädigt werden.

Gemäß den Gesetzen der Natur, die alles Leben bestimmen, ist der Mensch (die verkörperte oder inkarnierte Seele) wie ein kostbares Juwel in drei Schatullen oder Körper gehüllt — den physischen, astralen oder mentalen und den kausalen oder Saat-Körper — die alle mehr oder weniger irdischer Natur sind und verschiedene Gra­de an Dichte besitzen.

 

Und es gibt himmlische Körper und irdische Körper;

aber eine andere Herrlichkeit haben die himmlischen

und eine andere die irdischen.

                                                       1. Kor. 15,40

 

Sie gleichen dem äußeren Gewand, das wir tragen: der Jacke, der Weste und dem Hemd darunter. Wenn der Mensch den physischen Kör­per ablegt, trägt sein Geist noch den Astral- oder Mental-Körper. Unter dem astralen Kleid ist er noch vom dünnen Schleier des kau­salen oder ätherischen Saatkörpers bedeckt. Solange er nicht fähig ist, den physischen Körper abzulegen, kann er den ersten Himmel oder das Astralreich im Innern nicht betreten.

 

Das sage ich aber, liebe Brüder, daß Fleisch und Blut nicht können das Reich Gottes ererben; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit. . .
Denn dies Verwesliche muß anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche wird anziehen die Unsterblichkeit. Wenn aber dies Verwesliche wird anziehen die Unverweslich­keit und dies Sterbliche wird anziehen die Unsterblichkeit; dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht: "Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?"

                                                                                           1. Kor. 15;50,53-55

 

Das Ablegen des Körperkleides oder diese Umwandlung geschieht entweder durch die letzte Auflösung, diesen Zerfallsprozeß, der ge­wöhnlich als Tod bekannt ist, oder wird durch die Methode des willkürlichen Zurückziehens der Sinnesströme vom Körper bewirkt, die man mit fachlichen Worten als "Erheben über das Körperbe­wußtsein", das durch einen Prozeß der Umkehr und Selbstanalyse geschieht, bezeichnen kann. Die Evangelien beschreiben dieses Zurückziehen als "Von neuem geboren werden" oder "Auferste­hung". Die Hinduschriften nennen es "Zweite Geburt" oder "do-janma". Es ist eine Geburt des Geistes, die andere ist als die durch das Wasser (der äußeren Taufe) — denn die letztere ist aus "verweslicher Saat", wohingegen die erstere aus "unverweslicher Saat" ge­schieht, die unveränderlich und beständig (da reinen Geistes) ist. Die Moslem-Derwische (Mystiker) nennen diesen Tod im Leben Tod vor dem Sterben. Durch die gütige Hilfe eines Meister-Heiligen, der selbst ins Jenseits ging und anderen helfen kann, das gleiche zu tun, kann man lernen, wie man sich nicht nur vom physischen Körper, sondern auch von den beiden anderen Körpern (dem astralen und dem kausalen) zurückzieht. Man hat also "dem Fleische um des Geistes willen zu entsagen", wenn man danach verlangt, dem sich endlos drehenden Rad des Lebens auf diesem irdischen Gestirn (der Erde) zu entkommen. Bei einem gewöhnlichen, natürlichen Verlauf der Dinge hat der Jiva (die verkörperte Seele oder der menschgewordene Geist) keine andere Wahl, als nach dem physischen Tod in einer körperlichen Form wieder zur irdischen Ebene zurückzukehren, deren Art von seinen zeitlebens gehegten Vorlieben und Neigungen bestimmt wird, von der Stärke seines Verlangens und seinen langgehegten, unerfüllten Wünschen, die seiner geistigen Struktur eingeprägt sind und zur Zeit seines Todes vorherrschen und den überwältigenden Einfluß bilden, der seinen zukünftigen Weg mit unwiderstehlicher Kraft gestaltet.

 

So gütig und großmütig ist der göttliche Vater —
er gewährt seinen Kindern,
wonach sie auch immer verlangen.

 

Doch wenn man unter der Führung eines vollendeten Meisters (eines Sant-Satguru) den praktischen Vorgang der Selbstanalyse, das heißt das willentliche Zurückziehen vom physischen Körper, erlernt und diese Fähigkeit durch regelmäßige Übung entwickelt, dann erlangt man noch während des Lebens eine Erfahrung vom Jenseits (vom Tod im Leben) mit dem Ergebnis, daß einem die ur­alten trügerischen Vorstellungen allmählich wie Schuppen von den Augen fallen und die Welt und die weltlichen Dinge ihren hypno­tischen Reiz verlieren. Nun sieht man die Dinge in ihren wahren Farben, erkennt ihren wirklichen Wert und wird allmählich wunsch­los und frei — Herr seiner selbst, eine befreite Seele (jivan mukat); und danach lebt man nur mehr, um die zugewiesene Lebens­spanne ohne Gebundenheit zu vollenden. Dies wird Neue Geburt (oder zweite Wiederkehr der Seele) in ein ewiges Leben genannt. Doch wie kann man sie erlangen? Christus sagt uns:

 

Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folget mir nach,
der ist mein nicht wert. Wer sein Leben findet, der wird's verlieren;
und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden.

                                                                                  Matth. 10,38-39

 

Und im Lukas-Evangelium heißt es:

 

Da sprach er (Jesus) zu ihnen allen: Wer mir folgen will,
der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich
und folge mir nach.

                                                                  Lukas 9,23


Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt,
der kann nicht mein Jünger sein.

                                                                   Lukas 14,27

 

So sehen wir, daß der Tod in Christus der Weg ist, um mit Christus auf ewig zu leben. Lernt zu sterben, damit ihr zu leben beginnt, sind die einleitenden Worte aller Heiligen, wenn sie zu uns sprechen. Unter den Moslems ist dies fana-fil-sheik oder Auslöschen des Selbst im Murshid oder Meister bekannt. Es ist deshalb von höchster Wichtigkeit, als erstes einen lebenden Meister zu suchen, der kompetent genug ist, den anderenfalls endlosen Zyklus der Karmas ein für allemal zu beenden, und dann zu seinen Heiligen Füßen Zuflucht zu suchen, um sich da­durch von dem unheilvollen Einfluß der eigenen Taten zu be­freien, die sonst fortfahren, einen in der Gestalt von Eumeniden und Furien heimzusuchen.

 

Über die Macht des Jagat-Guru vernehmen wir:
Ein Jagat- Guru vermag die Karmas durch seinen Blick
und sein Wort auszulöschen.
In seiner Gegenwart fliehen die Karmas
wie Herbstlaub vor dem Wind.

 

Und wiederum lesen wir in den heiligen Schriften:

 

Groß ist die Macht des Engels der Gerechtigkeit,
und keiner vermag seinem Zorn zu entgehen;
aber vor dem Trompetenschall des Wortes
flieht er voll Todesfurcht.

 

Was nun das Wirken des karmischen Gesetzes betrifft, mag uns das folgende Beispiel helfen, den Sachverhalt besser zu verstehen: Nehmen wir zwei Sorten Weinbeeren — gelbe und braune. Die gelben Samen sollen die guten und die braunen die schlechten Ta­ten verkörpern. Und ein Raum ist bis zur Decke mit großen Men­gen dieser Saaten angefüllt, die nun gleichsam das Lagerhaus der Sanchit-Karmas eines Menschen darstellen.

Da ist nun "A" (ein physischer Körper plus Gemüt, plus Seele), ein Mensch, der sein ganzes Leben lang wünschte, ein König zu werden. Er wird krank, und dieser unerfüllte Wunsch beherrscht weiterhin sein Gemüt. Und nach einiger Zeit zwingt ihn die Natur, den physi­schen Körper aufzugeben, aber gemäß dem Gesetz des Lebens nach dem Tode ist er noch immer in den astralen (mentalen) und kausa­len (ätherischen) Körper gekleidet. Er wirkt nun als entkörperte oder nicht mehr inkarnierte Seele in einem anderen Gewand aus astraler und kausaler Gemütssubstanz. Da das Gemüt das Lagerhaus aller Eindrücke ist, erinnert sich "A" noch immer seines Wunsches, Kö­nig zu werden. Da "A" nun ein körperloser Geist (Jiva) und seiner physischen Hülle beraubt ist, sieht er sich einer Schwierigkeit gegen­über. Er kann solange kein König werden, bis er nicht wieder ein physisches Kleid angelegt hat, das es ihm erlaubt, auf der einen oder anderen Stufe seiner irdischen Laufbahn die Rolle eines Königs an­zunehmen. Von der unfehlbaren motorischen Kraft seiner Gemüts­substanz angetrieben, die hinter aller Aktivität wirkt, wird er dazu geleitet, so viele Karmas aufzunehmen, die noch nicht Frucht ge­tragen haben, daß eine neue Folge von Umständen herbeigeführt wird, die ihm dazu verhilft, seinen lang gehegten und tief einge­prägten Wunsch zu verwirklichen.

Die große bewegende Kraft, auf die eben verwiesen wurde, hat zwei Aspekte: einen positiven wie auch einen negativen. Der positive führt uns zur Reise in die Heimat und der negative beherrscht und lenkt das Leben auf der irdischen Ebene. Die Natur oder der ne­gative Aspekt dieser Kraft, die doch nur eine ist, befaßt sich allein mit dem geordneten Ablauf des Lebens, wie es auf der physischen Ebene besteht; ihre Hauptaufgabe ist es, die Welt in Gang und reich be­völkert zu halten und die Menschen an die verschiedenen Lebens­aufgaben zu binden, wie der Fall gerade liegt, was in der Umgangs­sprache "Pralabdha" genannt wird, das das irdische Leben eines jeden einzelnen mit absoluter Genauigkeit und unfehlbarer Ge­schicklichkeit bestimmt.

So ist man im oben beschriebenen Ausmaß in einer Art Falle ge­fangen und kann nicht anders, als das zu enthüllen, was man in verhülltem Zustand mit sich bringt. Das ist wie eine Offenbarung der unoffenbarten Vergangenheit, die als verborgene Saat oder Essenz auf dem Grund der Gemütssubstanz ruht und mit ihren mannigfachen Mustern und vielfältigen Farben, die verschiedene Linien bilden, auf der Leinwand des Lebens aufleuchtet, so wie auch das Leben von einer ursprünglich reinen und ewigen Strah­lung ausgeht, die wir gewöhnlich aus der Sicht verlieren, je mehr wir uns in dem "Dom aus vielfarbigem Glas" verlieren, der uns umschließt und uns im Lauf der Zeit von allen Seiten bedrängt. Mutter Natur umsorgt nun ihr Pflegekind und überschüttet es in solchem Maß mit all ihren Gaben, daß es sich dessen, wonach es in der Vergangenheit so sehr verlangte, unwissentlich in Fülle und bis zum Übermaß erfreut. Vom Zauber der Gaben geblendet, ver­gißt es den großen Wohltäter, den Spender aller Gaben und ist im Netz des Todes unentrinnbar gefangen.

Doch das ist nur ein Teil des Lebens, das "A" wie ein vorherbe­stimmtes Spiel erfährt. Daneben gibt es noch ein anderes, sehr le­bendiges Gegenstück, das auf der Freiheit des Handelns und auf unserem unabhängigen Willen beruht, der einem jeden von uns gegeben ist. Die Erlösung liegt im rechten Verstehen der höheren Werte des Lebens und darin, daß man von der günstigen Gelegen­heit, die einem zuteil wird, den besten Gebrauch macht; und wir können sie hier und jetzt erlangen. Sonderbarerweise ist der Mensch also nicht nur eine Schöpfung seines Schicksals (aus der Vergangen­heit) sondern ebenso der Schöpfer seines Geschickes (in der Zukunft). Was wir mit uns bringen, das muß geschehen; und was wir jetzt tun, das gibt unserer Zukunft Gestalt. Es ist darum weise, die rechte Wahl zu treffen. Die Gemütskraft ist ein ungeteiltes Ganzes, und wenn man sie sich wie einen gehorsamen Diener auf rechte Weise nutz­bar macht, kann sie einem großen Gewinn bringen. Doch wenn ihr erlaubt wird, den lebensspendenden Geist zu überwältigen, erweist sie sich als heimtückischer Parasit, der die Lebenskraft schwächt und die Wirtspflanze, auf der sie gedeiht und die ihr Leben und Nah­rung gibt, dahinwelken läßt. Daher müssen wir all unsere Aufmerk­samkeit der rechten Aussaat und ihrer Pflege zuwenden, während wir die uns bestimmte Rolle im Drama des Menschen auf der Bühne des Lebens im Licht der ewigen Strahlung spielen, die dick und dünn durchdringt, ob wir es nun wissen oder nicht. Der Höchste Wille ist bereits ins Muster unseres Seins gewirkt, denn ohne ihn kann nichts bestehen; und wenn wir diesen Willen erkennen und in Einklang mit ihm handeln, können wir dem Rad des Lebens entfliehen. Guru Nanak sagt im "Jap Ji":

Wie kann man die Wahrheit erkennen und die Wolken der Täuschung durchdringen? Es gibt einen Weg, o Nanak, seinen Willen zu dem unseren zu machen; seinen Willen, der bereits in unserem Dasein wirkt.

 

So sehen wir, daß die Karmas und Wünsche für den endlosen Zyklus der Geburten und Wiedergeburten verantwortlich sind. Wie kann man diesen unaufhörlichen Kreislauf beenden? Es gibt nur zwei Wege, das ungeheuer große und grenzenlose Vorratslager der Kar­mas, diesen undurchdringlichen Granitwall zwischen dem Men­schen und dem Höchsten oder diesen dicken Schleier des unwissen­den Gemüts, der stets unsere Augen bedeckt und unsere Sicht ver­dunkelt, zu erschöpfen oder aufzulösen. Die zwei Möglichkeiten, dieses immer umgangene und verwirrende Problem zu lösen sind:

a) es der Natur zu überlassen, das Vorratslager im Lauf der Zeit zu entleeren, sofern das überhaupt möglich ist;

b) von einer Meisterseele die wirkliche Erkenntnis und Erfahrung der Wissenschaft des Lebens auf den irdischen wie auch spiritu­ellen Ebenen zu erlangen und jetzt in diesem Leben daran zu ar­beiten, eine um die andere Ebene zu überschreiten, solange es uns noch möglich ist und wir die günstige Gelegenheit dazu be­sitzen.

Der erste Weg ist nicht nur endlos lang, sondern auch äußerst schwie­rig und gewunden, trügerisch auf Schritt und Tritt und voller Gefah­ren und Fallgruben. Man brauchte zahllose Leben, um zum Ziel zu gelangen, falls man überhaupt das Glück hätte, es zu erreichen. Zu­dem hilft die Natur von sich aus kaum jemanden, sich von dem unerbittlichen karmischen Gesetz zu befreien, denn das würde be­deuten, daß sie sich und ihre Sippschaft selbst auslöscht. Die menschliche Geburt ist in der Tat ein seltenes Vorrecht, das man erst erlangt, nachdem man einen langen Evolutionsprozeß der Schöpfung durchschritten hat, der sich auf unzählige Formen und Verkörperungen erstreckt, die das Lebensprinzip auf der physischen Ebene annimmt. Wenn diese goldene Gelegenheit einmal verloren ist, muß der Jiva oder der verkörperte Geist sich wiederum dem Rad des Lebens unterwerfen und dies gemäß der Wesenszüge, die ihn während seines Lebens in der Welt gewöhnlich beherrschten und besonders jener, die zur Zeit seines Scheidens von dieser Welt machtvoll hervortreten, denn das Gesetz lautet: "Wo das Herz ist, dahin zieht es den Geist mit unwiderstehlicher Macht." Da dies gilt, ist es für den gewöhnlichen verkörperten Geist fast unmöglich, sich über die Sinnesebene zu erheben und das Gemüt durch eigene An­strengungen, wie herkulisch sie auch sein mögen, ohne Hilfe und Führung ruhig und in sich selbst vertieft zu halten. Nur ein Gott­mensch oder die Meisterkraft kann einem Jiva aus Barmherzigkeit dazu verhelfen, das verlorene Königreich — die spirituelle Ebene — wiederzugewinnen, jenes Reich, aus dem ein jeder von uns durch seinen Ungehorsam gegenüber den Geboten Gottes vertrieben wurde.

Dieser Weg ist also voll ungeahnter Gefahren, die bei jedem Schritt auf uns lauern und uns selbst aus unserem innersten Wesen heraus bedrohen. Und daher wird kein vernünftiger Mensch jemals den Versuch wagen, diesen einsamen und mühevollen Weg zu be­schreiten, der eher in eine Sackgasse führt, als zum Ziel. Wenn man den zweiten Weg aufnimmt, sucht man einen kompeten­ten spirituellen Meister, dessen Einfluß sich auf alle untergeordne­ten Kräfte in dieser Welt und auf den höheren Seinsebenen erstreckt. Er kann die karmische Rechnung des bankrotten Geistes begleichen. Von dem Augenblick an, da er einen Menschen als sein Eigen an­nimmt, nimmt er den Vorgang der Auflösung des endlosen karmi­schen Geschehens, das aus unbekannter Vergangenheit herrührt, in die eigenen Hände. Er gebietet dem sinnlosen und leichtfertigen Leben, in das wir uns verloren haben, Einhalt. "Bis hierher und nicht weiter" lautet sein Gebot; und dann stellt er den einzelnen auf die erhabene Straße, die zu Gott führt. Gewöhnlich greift er in das Pralabdh oder Schicksal nicht ein, denn wir müssen es notgedrungen so gut als möglich erfüllen, um seine Frucht zu ernten und die uns zu­gewiesene Lebensspanne zu beenden; während er Sanchit oder das ungeheure Lagerhaus — da er ein bewußter Mitarbeiter am göttli­chen Plan ist — durch die Verbindung des Geistes mit dem Lebens­funken von "Naam" verbrennt. Die Berührung mit Naam oder dem Heiligen Wort verwandelt das Vorratslager der Sanchit-Karmas und auch die noch nicht fruchtgetragenen Kriyaman-Karmas, die wir bisher bewirkt haben, mit einem Mal zu Asche, gerade wie ein Feuerfunke einen ganzen Wald oder einen Haufen Brennholz, das auf dem Boden liegt, einäschert. Im Pauri 20 des "Jap Ji", dem Mor­gengebet der Sikhs, sagt uns Guru Nanak so schön:

 

„Wenn Hände, Füße und der Körper (mit Staub) bedeckt sind,

werden sie mit Wasser reingewaschen;

sind unsere Kleider schmutzig und befleckt, werden sie mit Seife gereinigt;

aber wenn das Gemüt von Sünden beschmutzt ist,

kann es nur durch die Gemeinschaft mit dem Wort wieder Reinheit erlangen.

Durch Worte allein werden die Menschen nicht zu Heiligen oder Sündern;

doch sie tragen ihre Taten mit sich, wohin sie auch gehen.

Wie man sät, so erntet man.

0 Nanak, die Menschen kommen und gehen

durch das Rad der Geburten und Tode, wie es Sein Wille bestimmt.“

 

Es ist nun ganz deutlich, daß das Gemüt der Hauptmagnet ist, der die Karmas mit all ihren Begleitumständen anzieht. Das Gemüt übt ei­nen gewaltigen Einfluß auf den Menschen aus und gebraucht unse­ren Surat (die Aufmerksamkeit, den äußeren Ausdruck der uns inne­wohnenden Seele), die wertvollste aller ererbten Fähigkeiten des Menschen — das kostbare Juwel von unendlichem Wert — als sein Werkzeug.

Die Meister-Heiligen kommen mit einer göttlichen Aufgabe und Sendung in diese Welt. Sie sind von oben beauftragt, den Menschen aus der karmischen Gebundenheit zu befreien. Wenn man das Glück hat, solch einen Heiligen zu finden und man sich selbst sei­nem Willen unterwirft, nimmt er den Geist in seine Obhut. Seine erste und wichtigste Aufgabe ist es, den magischen Zauber der karmi­schen Fangarme zu brechen, die uns mit tödlichem Griff umklam­mern. Er rät uns, ein wohlgeordnetes und höchst diszipliniertes ethi­sches Leben zu fuhren, um der weiteren Aufnahme übler Einflüsse oder karmischer Eindrücke zu entgehen. Er sagt uns, daß alle Gaben der Natur, einschließlich der Sinnesobjekte, nur für den rechtmäßi­gen und angemessenen Gebrauch gedacht sind und nicht zur Sinnesbefriedigung und zum Vergnügen. All unsere Schwierigkeiten ergeben sich aus der Tatsache, daß wir uns den Sinnesfreuden gierig und bis zum Überdruß hingeben, mit dem Ergebnis, daß wir, anstatt uns der weltlichen Genüsse zu erfreuen, gänzlich von ihnen be­herrscht werden und sie uns körperlich und geistig völlig zugrunde­gerichtet zurücklassen. Wir vergessen, daß wahres Glück eine Gei­steshaltung ist, die von innen kommt, wenn wir den Lebensstrom (das Heilige Wort) bewußt erwecken, der verborgen in uns liegt, und unser "Selbst" mit dem "Lebensprinzip" nähren, das allen Dingen, sichtbar und unsichtbar, innewohnt und die einzige Antriebskraft ist, die das ganze Universum erschafft und erhält.

Der Gottmensch hält Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in seinem mächtigen Griff und führt seine Kinder wie ein mitleidsvoller Vater auf den Pfad der Rechtschaffenheit und Redlichkeit, der allmählich zur Selbster­kenntnis und Gotterkenntnis leitet, um am Ende den Preis der Gott­heit zu erlangen. Gerade wie ein Kind nicht weiß, was sein Vater von Zeit zu Zeit für es bereithält, so weiß ein Neophyt (Strebender) nicht, was sein himmlischer Vater für ihn tut. Doch indem wir seinem Weg folgen, können wir die esoterischen Geheimnisse allmählich erfah­ren, die sich uns dann mit jedem Schritt von selbst enthüllen.

 

Was weißt du arme Seele in diesem Körper?

Du bist zu beschränkt und elend,

um auch nur dich selbst zu begreifen.

 

                                                 John Donne

 

 

 

III

 

 

Die Art und Weise, wie der Meister das schwierige und verwirrende Problem der Karmas in Angriff nimmt, wird nachfolgend kurz er­klärt:

Sanchit oder die Saatkarmas: Sie liegen verborgen im Vorratslager und bilden seit endlosen Zeiten, vom Anbeginn der Welt an, eine Rechnung zu unseren Lasten. Niemand kann ihnen entgehen, bis sie sich nicht in den unzähligen Lebensläufen, die noch vor uns liegen, ausgewirkt haben (und dies müßte geschehen, ohne ihnen neues Karma hinzuzufügen, was der Natur der Dinge nach eine Unmög­lichkeit ist). Es ist also nicht möglich, diese gewaltige Schuld zu be­gleichen, die uns belastet. Gibt es dann keinen Weg, um diesen gro­ßen Abgrund, der zwischen Bewußtsein und Unterbewußtsein liegt, zu überbrücken und wiederum die Kluft, die das Unterbewußte vom Unbewußten trennt, zu überwinden? Für jedes Übel, sei es spirituell oder weltlich, gibt es ein Heilmittel. Wenn man Samenkörner in ei­ner Pfanne erhitzt, bis sie platzen, verlieren sie ihr Keimvermögen oder ihre Fruchtbarkeit, mit anderen Worten: die Kraft zu keimen und Frucht zu tragen. Auf genau die gleiche Weise können die Sanchit-Karmas mit dem Feuer von Naam oder dem Wort versengt oder verbrannt und somit für die Zukunft unschädlich gemacht wer­den, denn dann wird man ein bewußter Mitarbeiter am göttlichen Plan und verliert jede Verbindung mit der unbekannten Vergangen­heit.

Pralabdh-Karmas: Sie bestimmen unser gegenwärtiges Schicksal, bilden den Bestand oder die Bestimmung, wie man es nennen mag. Ihre Frucht muß ertragen werden, ganz gleich, wie bitter oder süß sie ist, denn man kann nicht umhin, das zu ernten, was man einmal ge­sät hat. Der Meister überläßt sie darum dem Menschen unberührt, damit er sie mit liebevoller Sanftmut erträgt und im gegenwärtigen Leben zu Ende bringt. Denn wenn diese Karmas ausgelöscht oder auf irgend eine Weise geändert würden, hätte das die Auflösung des Körpers zur Folge. Doch wenn er sich mit ihnen auseinanderzu­setzen hat, wird der Schüler nicht allein gelassen. Sobald der Meister ihn initiiert hat, kümmert sich die Meisterkraft um den Schüler. Bei jedem Schritt wird ihm ein gutes Stück geholfen. Durch allmähliche spirituelle Disziplin erlernt er den Vorgang der Selbstanalyse und des Zurückziehens und sein Geist gewinnt Stärke, mit dem Ergebnis, daß die sonst schmerzlichen Auswirkungen dieser Karmas nunmehr bloß wie eine sanfte Brise über ihn wegwehen und ihn unversehrt lassen. Sogar bei ernsten und unheilbaren Fällen bringt der Meister sein Gesetz des Mitgefühls und der Gnade zur Anwendung. Alles Leid des ergebenen Schülers wird erheblich gemildert und abge­schwächt. Manchmal wird die Intensität körperlicher und geistiger Nöte ein wenig verstärkt, um die Dauer des damit verbundenen Lei­dens zu verkürzen, während in anderen Fällen ihre Stärke erheblich verringert und ihre Dauer verlängert wird, wie es jeweils angemessen erscheint.

Aber das ist nicht alles. Die Leiden, Nöte und Krankheiten des physischen Körpers rühren von den Sinnesfreuden her; und das phy­sische Leid muß natürlich vom physischen Körper ertragen werden. Der Meister als das verkörperte Wort oder der irdische Pol Gottes weiß alles über die Schüler, wo sie auch sein mögen, weit entfernt oder ganz nahe. Selbst wenn er durch das Gesetz des Mitgefühls die Karmas seiner ergebenen Schüler übernimmt, muß er sie seinen ei­genen Schultern aufbürden, denn die Gesetze der Natur müssen auf die eine oder andere Weise erfüllt werden. Dies geschieht nur in sel­tenen Fällen, wenn es der Meister für erforderlich hält. Überdies würde wohl kein Schüler einen Ablauf des Geschehens hinnehmen wollen, bei dem der Meister für seine Vergehen zu leiden hätte. Im Gegenteil muß der Schüler lernen, aufrichtig zu seinem Meister zu beten; und wenn er das tut, kann er gewiß sein, daß ihm alle mögliche Hilfe zuteil wird, um seine Not zu lindern oder seine Lage zu verbessern und das sich ergebende Leid zu verringern. Und die Seele selbst wird erstarken, wenn sie sich vom Brot des Lebens ernährt und durch das Wasser des Lebens erhält.

Es gibt jedoch Dinge, über die der Mensch keine merkliche Kon­trolle hat:

 

a) die Süße und die Bitternis des Lebens mit ihren An­nehmlichkeiten

    und  Unannehmlichkeiten sowohl physischer als auch geistiger Art;

b) Reichtum, Wohlstand und Macht oder Armut, Elend und niedriger Stand;

c) Name und Ruhm oder schlechten Ruf und völliges Vergessensein.

 

All das sind die gewöhnlichen Begleiterscheinungen des Lebens auf Erden, die uns widerfahren und vorübergehen, wie es vorherbe­stimmt ist. Alle menschlichen Bestrebungen zielen darauf ab, eine oder mehrere Annehmlichkeiten des Lebens zu erhalten und das Unangenehme zu umgehen, ohne zu erkennen, daß das Leben selbst wie eine Wolke vorüberzieht, gleich einem Schatten ohne Substanz, einer Fata Morgana oder einem Irrlicht. Durch Unterwei­sung und Übung machen die Meister-Heiligen dem Jiva die trüge­rische Natur der Welt und alles Irdischen deutlich und offenbaren in ihm die ewige Quelle des Lebens, die ihn, wenn er sie gefunden hat, bis ins innerste Mark und alle Fasern seines Seins erfüllt und ihm völlige Zufriedenheit schenkt und ihn befähigt, das Leben selbst mit Freuden aufzugeben.

Kriyaman-Karmas: Das sind jene Karmas, die wir während unseres gegenwärtigen Aufenthalts auf der irdischen Ebene täglich bewirken. In dieser Hinsicht wird jedem Schüler auferlegt, von jetzt an ein ganz keusches und reines Leben in Gedanken, Worten und Taten zu führen und sich allem zu enthalten, was von Übel ist, denn jede Verletzung oder Nichteinhaltung dieses Gesetzes hat unweiger­lich Leid zur Folge, und der Preis der Sünde ist nichts weniger als der Tod, wahrlich der Tod an den Wurzeln des Lebens. Hier erhebt sich die Frage, wie die Meister-Heiligen manche der kar­mischen Bürden der Jivas unter außergewöhnlichen und seltenen Umständen auf sich nehmen und es einrichten, sie von den unange­nehmen Auswirkungen zu befreien. Denn die Karmas, die mit dem physischen Körper verbunden sind, müssen, wie bereits gesagt, vom physischen Körper ertragen werden.

 

Gott selbst kleidete sich in des gemeinen Menschen Fleisch,

um schwach genug zu sein, Leid zu erdulden.

                                                                   John Donne

 

Die Geschichte gibt uns ein Beispiel aus dem Leben von Babar, dem ersten Moghul-König Indiens. Sein Sohn Humayun erkrankte schwer, und jeder bangte um sein Leben. In stillem Mitgefühl betete der König zu Gott, es möge ihm erlaubt werden, die Krankheit seines Sohnes zu übernehmen, und so seltsam es scheinen mag, von die­sem Augenblick an trat eine Wendung ein; der Prinz begann allmäh­lich zu genesen, während der König dahinsiechte und starb. Das ist nur ein einzelnes Beispiel stellvertretenden Leids auf der menschli­chen Ebene.

Der Meister ist eins mit dem Herrn der Barmherzigkeit. In seinem Reich, das grenzenlos ist, gibt es kein Aufzählen von Taten. In das Göttliche eingebettet, gewährt er jedem einzelnen die Verbindung mit der erlösenden Lebensschnur im Innern, die in Zeiten der Not als letzte Rettung dient. Das Schiff mag in den stürmischen Wassern des Lebens hin und her geworfen werden, doch da es an der schwim­menden Boje verankert ist, kann es nicht untergehen, ungeachtet der stürmischen Winde und Wasser ringsumher. Der Mensch wird unweigerlich gezwungen, die Bühne der Welt blindlings zu betreten, um einfach die Frucht seines Pralabdh-Karmas zu ernten, von dem er keinerlei Kenntnis hat. Er ist sich nicht einmal des Wirkens der physischen Ebene bewußt, geschweige denn der höheren Ebenen. Mit all seinen Bekenntnissen und Beteuerun­gen erweist er Gott nur einen Lippendienst, da er keinen Zugang zu den Göttlichen Bindegliedern im Innern hat, dem erlösenden Ret­tungsanker: dem Licht und der Stimme Gottes. Er kennt nicht ein­mal die Natur seines eigenen, wahren Selbst und gibt all seine Zeit den Sinnesfreuden hin. Er betrachtet sich selbst nur als Zufallsge­schöpf, eine bloße Puppe auf der Bühne des Lebens.

Andererseits kommt ein Heiliger mit einem Auftrag und einem Ziel. Er ist Gottes Erwählter, sein Messias und sein Prophet. Er wirkt in seinem Namen und durch die Kraft seines Wortes. Er hat keinen ei­genen, freien Willen, der vom Willen Gottes getrennt ist; und da er sein bewußter Mitarbeiter am göttlichen Plan ist, sieht er die verbor­gene Hand Gottes in allem Geschehen des Lebens. Er lebt in der Zeit und gehört doch in Wahrheit dem Zeitlosen an. Er ist Herr über Leben und Tod, doch voll Liebe und Mitleid für die leidende Menschheit. Es ist seine Mission, jene Seelen mit Gott zu verbinden, die sich nach Wiedervereinigung mit Ihm sehnen und aufrichtig da­nach streben. Ihr Tätigkeitsbereich ist ganz verschieden und unab­hängig von dem der Avatare oder Inkarnationen, denn diese wirken nur auf der menschlichen Ebene, und ihre Arbeit ist es, die Welt in Gang und Ordnung zu halten. Lord Krishna hat mit unzweideutigen Worten erklärt, daß er dann in die Welt kommt, wenn das Spiel der Kräfte von Gut und Böse nicht mehr ausgewogen ist, und es sein Ziel ist, das verlorene Gleichgewicht wiederherzustellen, den Recht­schaffenen zu helfen und die Ungerechten zu bestrafen. Gleiches können wir im "Ram Charitra Manas" über Lord Rama lesen. Er verkörperte sich erneut, als das Übel in der Welt im Zunehmen war. Die Avatare kommen, um die Gerechtigkeit wiederherzustellen. Sie können jedoch nicht die Gefängnistore der Welt öffnen, um die Jivas herauszulassen und in die spirituellen Ebenen zu bringen. Die­se Aufgabe fällt gänzlich in den Bereich der Heiligen, die als bewußte Mitarbeiter der Gotteskraft am Göttlichen Plan wirken und einzig die Verehrung der Gottheit lehren, denn diese allein setzt den Aus­wirkungen des Karmas ein Ende. Ein Moslem-Heiliger sagte: Zuletzt kam ans Licht, daß im Reich der Darveshs Karmas nicht zählen.

 

Und wiederum heißt es:

 

Ein Meister-Heiliger verjagt die Karmas,

die wie Schakale vor einem Löwen flieh’n.

 

Keiner vermag den Früchten seiner Taten zu entfliehen, nicht ein­mal Gespenster und Geister, weder Riesen, Dämonen, Kinnaras, Yakshas, Gandharvas, Devas und Götter. Jene mit leuchtenden, astralen und ätherischen Körpern erfreuen sich der Früchte ihres Tuns in der Region von Brahmand, der dritten großen Aufteilung über den beiden ersten, Pind und And. Auch sie warten auf eine menschliche Geburt und streben sie an, um der Gewalt der karmi­schen Rückwirkungen zu entgehen; denn allein in der menschlichen Geburt hat man die Möglichkeit, mit einem Gottmenschen in Ver­bindung zu treten, der einem das Geheimnis des göttlichen Pfades, den Tonstrom oder das Heilige Wort, offenbaren kann.

Ein Mensch brauchte viele Jahre geduldiger Meditation, wollte er fä­hig sein, das System von Gottes mächtiger Herrschaft in gewissem Ausmaß zu verstehen; und dem forschenden Sucher kann auf dieser Stufe nur sehr wenig gesagt werden. Es ist ebenso schwierig, einen wahren spirituellen Meister zu verstehen. Doch bei alldem spielt ein Heiliger, während er auf der Erde weilt, die normale Rolle eines Menschen und spricht von sich selbst stets als von einem Sklaven, Leibeigenen und Diener Gottes und seines Volkes. Wenn ein Meister-Heiliger die Lasten der Karmas ergebener Seelen auf seine Schultern nimmt, übergeht oder beseitigt er deswegen nicht das "Höchste Gesetz". Man kann seine Stellung mit der eines verkleideten Königs vergleichen, der sich, um die Lage seiner Unter­tanen zu verbessern, freiwillig unter sie mischt, um ihre Schwierigkeiten zu verstehen und zuzeiten auch ihre Freuden und Sorgen zu teilen. Soweit es den menschlichen Körper betrifft, macht ein Mei­ster-Heiliger von einem besonderen göttlichen Zugeständnis Ge­brauch. Kurz gesagt, kann er den Tod durch die Guillotine in einen Dornenstich verwandeln.

Manchmal erlaubt er seinem Körper, in geringem Ausmaß zu leiden, was aber einen gewöhnlichen Men­schen in große Schwierigkeiten bringen würde. Auf diese Weise zeigt er den Menschen, daß alle Körper leiden, denn so lautet das Natur­gesetz für die verkörperten Geschöpfe. "Das physische Leben ist nur Trübsal", erklärte Sakya Muni, Lord Buddha. Auch Sant Kabir sagte, daß er noch keinen einzigen Menschen gesehen habe, der glücklich war; jeder, dem er begegnete, befand sich in irgendeiner Not. Guru Nanak zeichnet uns ein anschauliches Bild einer Welt voller Sorgen und Leiden, ausgenommen jene seltenen Menschen, die bei Naam Zuflucht gefunden hatten. Durch diese traurige Erfahrung um uns herum halten wir den Gottmenschen für einen gewöhnlichen Sterb­lichen, wie wir es sind. Indem er körperlichen "Schmerz" erduldet, bekleidet er allem äußeren Anschein nach die Rolle eines Menschen, doch innerlich ist er immer vom physischen Körper getrennt. Die ständige Verbindung mit der Gottheit im Innern ermöglicht ihm, dem zu entgehen, was für den Schüler anderenfalls ein unerträg­licher Schmerz wäre.

Jeder, der auf diesen Pfad gestellt wurde und sich mit dem Prozeß der Umkehr beschäftigt, kann seine Sinnesströme vom Körper zurück­ziehen, wenn er sie am Zentrum hinter den Augen sammelt. Die Zeit mag verschieden sein, die der einzelne Mensch jeweils benötigt, um dieses Ziel zu erreichen, aber die Ergebnisse folgen mit Sicherheit und sind in jedem Falle nachweisbar. Die ergebenen Schüler auf die­sem Pfad lehnen selbst auf dem Operationstisch die dem Patienten normalerweise verabreichten Betäubungsmittel freiwillig ab. Sie zie­hen ihr Bewußtsein vom Körper zurück und spüren somit nicht die Auswirkungen des Messers oder Skalpells des Chirurgen. Von Bhai Mani Singh, der durch Abschneiden aller Gelenke zum Tode ver­urteilt worden war, wird berichtet, daß er dem Vorgang nicht nur lächelnd zustimmte, sondern auch gegen den Scharfrichter Ein­spruch erhob, als dieser versuchte, sich der schändlichen Aufgabe zu entledigen und kurzen Prozeß zu machen, indem er die Glieder Stück für Stück abtrennte, statt Gelenk für Gelenk, wie ihm befohlen worden war.

Die Satsangis, die die Dinge mit offenen Augen betrachten, begeg­nen sehr oft derartigen Fällen. Jene Seelen, die inneren Zugang ha­ben, bleiben in das große Selbst im Innern vertieft und stellen ihre Fähigkeiten nicht zur Schau. Dieses Gesetz bewährt sich aus dem einfachen Grund, daß Taten wie diese oft darauf ausgelegt sind, als Wunder zu gelten und daher gewissenhaft zu vermeiden sind. Hei­lige zeigen keine Wunder und erlauben auch keinem Schüler, sich solch prahlerischem und sinnlosem Blendwerk hinzugeben. Wenn Heilige scheinbar krank sind, kann man allgemein sehen, daß sie vom Arzt verordnete Arzneien einnehmen, aber in Wirklichkeit brauchen sie eine solche Behandlung nicht. Sie tun das nur, um die Gesetze der Welt zu beachten. Auf diese Weise geben sie den Men­schen ein Beispiel, den üblichen weltlichen Weg mit Klugheit beizu­behalten und sich einer richtigen Behandlung zu unterziehen, falls es nötig ist. Natürlich wird vom Schüler erwartet, Medikamente zu verwenden, die keinerlei Produkte oder Substanzen tierischen Ur­sprungs enthalten; doch manche Schüler, die einen unerschütter­lichen Glauben an die gütige Kraft des Meister-Heilers im Innern haben, vermeiden gewöhnlich auch die sogenannten "Heilmaßnah­men" und erlauben der Natur, durch sich selbst zu wirken, denn die heilende Kraft im Innern ist ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Systems. Die körperlichen Störungen, die manchmal auftreten, sollten frohen Mutes angenommen und ertragen werden, denn sie sind im allgemeinen das Ergebnis unserer eigenen Ernäh­rungsfehler und können durch die rechten hygienischen Maßnahmen und ausgewählte Nahrung wieder behoben werden.

Hippokrates, der Vater der medizinischen Wissenschaft, betonte mit Nach­druck, daß die Nahrung als Medizin betrachtet werden sollte. Selbst schwere Erkrankungen, die von karmischen Rückwirkungen herrüh­ren, müssen ohne Murren oder Bitterkeit mit Geduld ertragen wer­den, denn alle karmischen Schulden müssen bezahlt und die Rech­nungen hier und jetzt beglichen werden; und je schneller dies ge­schieht, desto besser, statt irgendwelche Schulden bestehen zu las­sen, die dann später bezahlt werden müssen. Es wird berichtet, daß zur Zeit Hazrat Mian Mirs, eines frommen Moslems und Mystikers, einer seiner Schüler namens Abdullah, seine Sinnesströme zum Au­genbrennpunkt zurückzog, als er erkrankte, und sich unversehrt in die Zitadelle des Friedens einschloß. Doch als ihn sein Meister Mian Mir besuchte, zog er Abdullah ins Körperbewußtsein zurück und ge­bot ihm, zu bezahlen, was er schuldig sei, denn durch eine solche Taktik könne er sich der Bezahlung nicht auf unbestimmte Zeit ent­ziehen.

Im Gegensatz zu den meisten von uns wenden die Meister-Heiligen nicht viel Zeit für die Pflege und Bedürfnisse des Körpers auf. Sie be­trachten das physische Kleid als bloßen Lumpen, der eines Tages weggeworfen wird. Wenn es nötig ist, leisten sie schwere körperliche und geistige Arbeit, ohne sich niederlegen oder ausruhen zu wollen und bleiben ohne jede Unterbrechung viele Nächte lang wach. Solche erstaunlichen Leistungen geben der modernen Wissenschaft Rätsel auf, doch für die Heiligen sind sie etwas Alltägliches, denn sie sind mit den höheren Gesetzen der Natur vertraut, von denen wir keinerlei Kenntnis haben, und machen von ihnen Gebrauch. Hand­lungen oder Karmas können als persönliches Karma oder Gruppenkarma eingeordnet werden. Letztere sind Karmas, die von einer Gemeinschaft oder einem Volk als Ganzes ausgeführt und als Dharma bezeichnet werden. Wie ein einzelner die Früchte seiner eigenen Karmas (Handlungen) ertragen muß, so auch eine Gemeinschaft, denn auch sie muß die Auswirkungen der allgemeinen Poli­tik, die sie verfolgt, hinnehmen; was dazu führt, daß auch unschul­dige Menschen unter den Mißständen zu leiden haben, die aus dem falsch erdachten Dharma der Gemeinschaft, der sie angehören, ent­stehen.

Als der persische Schah Nadir in Indien einfiel und ein all­gemeines Blutbad unter der Bevölkerung Delhis befahl, war das ganze Volk bestürzt, und man glaubte, daß das soziale Unrecht die Gestalt Nadirs angenommen habe. Die gerechte Vergeltung aller be­gangenen Sünden und Versäumnisse hegt im Wesenskern des Natur­gesetzes begründet, und die Bestrafung sucht uns in der einen oder anderen Gestalt heim, ob man diese Kraft nun Rachegöttinnen, Eumeniden oder wie auch immer benennt.

 

 

IV

 

Die Schriften berichten uns die treffende Geschichte von Radscha Parikshat, der gehört hatte, daß einer, der den Vortrag des Bhagwat durch einen Pandit vernähme, zum Jivan-mukat würde — zu einem Menschen, der von jeder Gebundenheit frei ist. Eines Tages rief er seinen Hofpriester zu sich und bat ihn, den erhebenden Text des Bhagwat zu rezitieren, damit er von der Gebundenheit durch Ge­müt und Materie frei würde. Und er befahl, den Priester zu erhän­gen, falls sein Vortrag nicht die Richtigkeit der heiligen Lehren be­stätigen sollte. Da er nicht besser als irgendeiner von uns war, er­schrak der Priester sehr, denn er sah sich bereits im Angesicht des Todes, weil er sehr wohl wußte, daß er dem König nicht zu helfen vermochte, die Erlösung zu erlangen. Niedergeschlagen und über das ihm drohende Verhängnis zutiefst besorgt kehrte er nach Hause zurück. Am Vorabend des Tages, der für die Rezitation des Bhagwat bestimmt war, fand sich der Priester halbtot vor Angst. Zu seinem Glück hatte er eine sehr kluge Tochter. Auf ihre dringenden Bitten hin vertraute er ihr den Grund für seine unglückliche Lage an. Seine Tochter tröstete ihn und versprach, ihn vom Galgen zu erretten, wenn er ihr erlaubte, ihn am nächsten Tag zum König zu begleiten. So ging sie am folgenden Tag mit ihrem Vater zum Königshof. Sie erkundigte sich, ob der König Befreiung von der Gebundenheit an die Welt wünschte, was der König bejahte. Sie sagte dem König, daß sie ihm helfen könne, seinen tief gehegten Wunsch zu erfüllen, wenn er ihrem Rat folge und ihr erlaube, zu tun, was immer sie wolle.

Sie brachte nun den König und ihren Vater in den Dschungel und band einen jeden mit einem starken Seil an einem anderen Baum fest. Dann forderte sie den König auf, seinen Priester loszubinden und zu befreien. Der König gestand seine Hilflosigkeit ein: er könne das nicht, weil er doch selbst festgebunden sei. Daraufhin erklärte ihm das Mädchen, daß einer, der sich selbst in der Gebundenheit von Maya (der Täuschung) befindet, einen anderen nicht aus eben diesen Fesseln lösen könne. Das Aufsagen des Bhagwat könne sicherlich die magische Umhüllung der Täuschung zerbrechen, wenn es durch ei­nen befreiten Menschen geschähe, der selbst die Täuschung durch­brochen hat; und so solle der König nicht von seinem königlichen Priester die Befreiung erwarten, der genauso gefesselt sei wie er selbst. Nur einer, der neh-karma oder nicht im Spinnengewebe des Karmas verstrickt ist, besitzt die Fähigkeit, andere gleich sich selbst aus dem tödlichen karmischen Kreislauf zu befreien.

Das zeigt also, daß das bloße Studium der Schriften nicht viel dabei hilft, Moksha oder die Erlösung zu erlangen, denn sie ist eine rein praktische Angelegenheit; und nur wenn man von einem fähigen Adepten in dieser Wissenschaft geführt wird, erhält man die rechte Unterweisung und gelangt zur Vollendung. Der Murshid-i-Kamil oder vollkommene Meister muß als erstes die Teile der zerbroche­nen Tafel des Gemüts wieder zusammenfügen, die durch unsere zahllosen Wünsche und Sehnsüchte zersprang, und sie zu einem vollständigen Ganzen machen, bevor er sie dann durch und durch poliert, bis sie so rein wird, daß sie das Licht und die Herrlichkeit Gottes wiederzuspiegeln vermag, was keine noch so große Buchge­lehrsamkeit vollbringen kann.

Natürlich kann man die wahre Bedeutung der Schriften nicht erken­nen und verstehen, bis sie einem von einer Meisterseele erklärt werden, die in der Werkstätte ihres eigenen Geistes eben das erfahren hat, wovon die Schriften berichten. Somit kann er den Schüler aus eigener, persönlicher Erfahrung in den höchsten esoterischen Lehren unterweisen und leiten, die uns die Schriften lediglich als knappe Sinnsprüche wiedergeben, die den Verstand nur verwirren, der in sei­nem Umfang und Fassungsvermögen doch recht begrenzt ist. Darum heißt es: „In der Gemeinschaft eines Sadh (oder einer ge­schulten Seele) kann man Gott leicht erkennen." Nur eine befreite Seele vermag eine andere Seele zu befreien und niemand sonst. In diesem Zusammenhang heißt es:

 

Das Studium der Veden, Puranas und der Etymologe führt zu nichts.

Ohne die Ausübung des heiligen Wortes

verbleibt man immer in tiefster Dunkelheit.

 

Ein Mensch, der die Verwirklichung selbst erfahren hat, umfaßt alle Schriften und noch weit mehr als sie, die bestenfalls die theoretische Seite der Lehren in subtiler Sprache enthalten, doch die Idee selbst nicht wörtlich erklären oder eine tatsächliche Erfahrung vermitteln können, wie es der Meister vermag.

Jeder versucht heutzutage die Schuld oder Ursache seines Mißge­schicks auf die "heutigen Zeiten" zu schieben, und diese Klage ist die größte aller Zeiten. Die gegenwärtige wie auch die zukünftige Zeit ge­hört uns genausowenig wie die Vergangenheit. Diese Welt ist ein gewaltiges magnetisches Feld, und je mehr wir uns mühen, ihm zu entkommen, desto mehr werden wir in ihm gefangen und in seinem Netzwerk verstrickt. Der Mensch tanzt in dem Netz und glaubt, daß ihn keiner sähe. Der Kluge empfindet das Netz wohl, doch er weiß nicht, wo er sich unbekümmert niederlassen kann. So dreht sich das gewaltige Schwungrad der karmischen Mühle, dieses gigantische Rad des Lebens, still und unaufhörlich und zerstampft alles gleicher­weise langsam, doch unverkennbar zu Staub. Die Mühle der Natur mahlt langsam, aber sicher. Manche empfinden es und sagen: „Es scheint, daß die Natur den Menschen schuf und dann die Form zer­brach."

Keiner jedoch versucht, das Warum und Wofür der Dinge, Ereig­nisse und Begebenheiten zu durchschauen, denn voll Selbstzufrie­denheit nehmen wir ungefragt alles so hin, wie es der Lauf der Zeit mit sich bringt. Wir versuchen nicht, tief in die Dinge einzudringen, um die Glieder der Kette aufzuspüren, die zu dem führen, was wir sehen, spüren und erleben. Jeder vergißt bei seinem Umgang mit anderen, daß er einfach für alles in der Welt zu bezahlen hat. Sogar die Gaben der Natur wie Raum, Licht und Luft usw. sind nicht allen gleicherweise frei und in beliebigem Ausmaß verfügbar. Aber jeder hält sich selbst für den einzigen und alleinigen Treuhänder der freien Gaben Gottes. Er versucht, so tolerant als möglich zu sein, stößt auf einzelne schlecht gefaßte Diamanten (Menschen) und wird durch das "Gesetz des Gebens und Nehmens" berührt. Nur nach harten Schlägen lernen wir, daß die Waagschalen keinen Unterschied zwi­schen Gold und Eisen machen, sondern nur auf das tote Gewicht reagieren. Ein jeder weiß, daß man den Nebel nicht mit einem Fächer vertreiben kann, und doch versuchen wir es und machen da­durch die Verwirrung nur noch schlimmer. Ein Mensch, dessen Hände und Füße in der endlosen Kette von Ursache und Wirkung gebunden sind, kann andere nicht befreien. Wenn jeder in der Welt in tiefem Schlaf liegt, wer soll dann wen aufwecken? Nur ein befreiter Mensch kann andere befreien, wenn er sich dazu entscheidet, denn die Sünden und Unterlassungen, die wir begehen, entsprechen dem Wesen des Naturgesetzes und suchen den Täter früher oder später in der einen oder anderen Form heim.

Wenn man Vögel im Käfig hält und Haustiere an die Kette legt und einsperrt, setzt man zu Unrecht voraus, daß diese armen, unwissen­den Tiere keinen Gerichtshof haben, um ihre Klage vorzubringen. Manche glauben, ein Recht zu haben, sie so zu behandeln, wie es ihnen gefällt. Sie schrecken weder davor zurück, sie zu töten, noch zollen sie der allgemeingültigen Wahrheit: "Wie du säst, so wirst du ernten", irgendeine Beachtung. Doch Unkenntnis des Gesetzes ist keine Entschuldigung. Jedes Unrecht muß bestraft werden. Wer mordet, der wird selbst getötet. Wer durch das Schwert lebt, wird durch das Schwert umkommen. Man muß "Auge um Auge und Zahn um Zahn" bezahlen, was heutzutage genauso wahr ist wie zur Zeit Moses. Wir feiern unsere Feste zweifellos sehr fröhlich, bis die furchtbare Abrechnung kommt. Wir mögen unsere Augen vor den Naturgesetzen schließen oder unser Vertrauen in die Wirksamkeit der priesterlichen Hilfe setzen, doch es wird vergebens sein. Für Töten, Blutsaugen und dergleichen muß man einen hohen Tribut entrichten. Jene, die vom Blut anderer leben und gedeihen, können kein reines Herz haben und noch weniger Zugang zum Himmel­reich. "Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen."

Die Heiligen sagen, daß der Mensch den höchsten Platz in Gottes Schöpfung einnimmt und mit einem hervorragenden Verstand be­gabt ist und die begrenzte Spanne seines Lebens daher nicht wie an­dere Geschöpfe blindlings vorüberziehen lassen darf. Er sollte die goldene Gelegenheit, die er erhielt, um in die Arme Gottes und in ursprüngliche Heimat zurückkehren, nicht versäumen. Solch eine unvergleichliche Gelegenheit erhält man nur, wenn man die "Schau­stellung der Welt" ganz durchblickt und seine Rolle im großen Drama des Lebens erfolgreich zu Ende gespielt hat. Im allgemeinen verstrickt sich der Mensch in den Zauber der physischen Welt. Wenn das geschieht, verliert er unter dem überwältigenden Einfluß der karmischen Rückwirkungen nach Myriaden von Verkörperungen die einzige Gelegenheit, die er zur Rückkehr in die immerwährende Region des reinen Geistes erhielt. In endloser Folge hat er einen Körper nach dem anderen erhalten. Und allmählich beginnt er das Gewicht aller Arten von Gesetzen zu empfinden — seien sie sozia­ler, körperlicher oder natürlicher Art — die seinen Weg bei jedem Schritt gleich unüberwindlichen Hindernissen versperren. Und es bleibt ihm keine andere Wahl, als darauf zu warten, bis er wieder als Mensch geboren wird; und wer weiß, wann das sein mag? Die Heiligen bezeichnen die Sünde ganz einfach als "Vergessen des Ursprungs" (oder der Gottheit). Jeder Gedanke, jedes Wort oder jede Tat, die uns von Gott fernhält, ist wahrlich Sünde; und was auch immer den Menschen Ihm näher bringt, ist dagegen gottesfürchtig und heilig. Ein persischer Heiliger sagt, während er sich selbst die Natur der Welt erklärt: „Die Welt kommt erst in Gang, wenn man den Herrn vergißt. Durch die beständige Erinnerung an Gott ist man, während man mit Freunden und Verwandten in der Welt lebt, doch nicht von der Welt."

Die meisten Sünden, ob grober oder feiner Art, sind eine reine Ein­bildung des Menschen unter dem Einfluß des Gemüts. Die feineren Sünden werden von den Heiligen, den lebenden Verkörperungen von Gottes Gesetz der Liebe und Barmherzigkeit auf Erden, als "ver­zeihliche Schwächen" betrachtet. Solange ein Mensch als Geschöpf handelt, das von seinem eigenen Willen geleitet wird, unterwirft er sich selbst allen Gesetzen und ihren Härten. Doch wenn man seinen selbstbestimmenden Willen dem des Gottmenschen unterwirft, kommt man unter den Einfluß von Gottes Gnade und Liebe. Das ist die rechte Einstellung zu den Sünden des täglichen Lebens. (Siehe Anhang II)

Karmas sind die ansteckendste Form unsichtbarer Krankheiten, de­nen der Mensch immer ausgesetzt ist. Sie wirken sogar schneller, ver­heerender und zerstörerischer als die tödlichsten und giftigsten Kei­me, die in die innersten Zellen des menschlichen Körpers gelangen und sich ganz heimlich ins Blutsystem einschleichen. In der Gemeinschaft wirken sich die Karmas zunächst sehr stark in Form einer Änderung des Standpunktes und der Gedanken jener aus, die ange­blich die öffentliche Meinung bilden. Dann beeinflussen sie unsere Gemütsverfassung und Laune und wurzeln sich schließlich in Form von Gewohnheiten ein, die dem Menschen zur "zweiten Natur" werden. Die Vorfahren und Alten waren daher immer auf der Hut und rieten uns, schlechte Gesellschaft zu meiden. "Gute Gesell­schaft bringt Gutes und schlechte nur Übles hervor." Man kann ei­nen Menschen ganz deutlich an seinem Umgang erkennen.

Um all diesen Schwierigkeiten die Krone aufzusetzen, muß man un­wissentlich sogar an den karmischen Reaktionen der eigenen Familie teilhaben, in der man geboren und aufgewachsen ist. Somit spielen Tugend und Laster eine wesentliche Rolle beim Aufbau der Kultur. Auf diese Weise nehmen wir täglich und stündlich Karmas aus unse­rer Umgebung auf. Der einzige Weg, dem karmischen Einfluß zu entgehen, ist, durch fromme Heilige, die fest im Höchsten verankert und weit über der Reichweite der Karmas stehen und in der Tat Neh-Karma und Jivan-Mukat sind, am Gottespfad festzuhalten.

Es heißt, daß man im Reich eines wahren Darvesh (Gottmenschen) keine Rechenschaft über seine Karmas abzulegen braucht. Wer sich in die Gemeinschaft eines Sadhu begibt, der wendet sich dem Besseren zu. Der Mensch neigt jedoch ganz natürlich dazu, eher das Übel anzu­nehmen als die grenzenlose Güte der Heiligen. Die Gemeinschaft mit einem Heiligen hat die wunderbare Wirkung, alle üblen Ein­drücke zu beseitigen. Der atmosphärische Wirkungsbereich eines Meister-Heiligen ist von einer solch grenzenlosen Weite, daß man es sich kaum vorstellen kann. Die Heiligen kommen nicht nur zum Wohl der Menschen, sondern zum Nutzen der ganzen belebten und unbelebten Schöpfung auf allen Ebenen der Welt, sichtbar wie auch unsichtbar. Das arme Geschöpf namens Mensch hat keinen wahren Freund. Selbst das Gemüt mit den drei Gunas (den Eigenschaften von Satva oder Reinheit, Rajas oder Tätigkeit und Tamas oder Träg­heit), das stets als Komplize des Menschen wirkt, schaut auf ihn wie eine Katze, die ihren ruhelosen Blick auf eine Ratte wirft. Jene, die den Befehlen ihres Gemüts gehorchen, werden beständig von seinen Tücken beherrscht und liefern sich unsäglicher Not und qualvollen Schrecken aus. Das "Gemüt" jedoch fürchtet die, denen Gott durch seinen Mittler, den Satguru (den Gottmenschen) wohlgesonnen ist. Das Gemüt wagt es nicht, die Privilegien und Rechte jener, die Er liebt und die Sein Eigen sind, zu verletzen, und hilft ihnen vielmehr wie ein gehorsamer Diener, der den Weisungen seines Herrn gehorcht. Wie das Feuer ist es ein guter Diener, aber ein schlechter Herr.

 

In der Gemeinschaft eines Heiligen hat man nichts zu bereuen.

In seiner Gemeinschaft erkennt man den Herrn und folgt ihm getreu.

In seiner Gemeinschaft wird einem die höchste Gabe der Gottheit zuteil.

 

Darum betonte Guru Nanak mit Nachdruck:

0 Nanak! Reiße all die vergänglichen Bande der Welt entzwei

und mache dich auf die Suche nach dem Wahren Einen.

Während alle anderen dich schon in deinem Leben verlassen,

wird der Wahre Eine dich selbst ins Jenseits begleiten.

 

Und wiederum:

0 Seele, sei gewiß, daß der Gottmensch dir vor

dem Richterstuhl Gottes beistehen wird.

 

Baba Farid, ein Moslem-Heiliger, sagt auf fast die gleiche Weise:

0 Farid! Begib dich eilends auf die Suche nach einem Befreiten,

denn nur er kann dich (von der Bindung an die Welt) befreien.

 

Und wieder:

Das stets ruhelose Gemüt findet keinen Frieden,

bis es in einem Gottmenschen ruht.

 

Im Gurbani lesen wir:

In der Gemeinschaft eines Sadh wird den umherwandernden

Gedanken Einhalt geboten; allein der beruhigte Geist

kann das Licht des Herrn widerspiegeln.

 

Jeder Mensch ist in den unsichtbaren Fesseln der Karmas physisch und geistig gebunden. Solange einer dem Einfluß von Gemüt und Materie unterworfen ist und nicht den Schutz eines Heiligen gesucht hat, wird er von allen Gesetzen der verschiedenen Ebenen be­herrscht und es wird ihm die reine und einfache Gerechtigkeit zuteil, ungemildert durch Barmherzigkeit. Er unterliegt der Bestrafung für all seine Sünden — der unbedachten, ungenannten und feinen. Ein Freund beim Gerichtshof kann in der Lage sein, das lange und qual­volle Verfahren abzukürzen, aber vor dem Richterstuhl des Höch­sten ist der Meister-Heilige zur Zeit des Gerichts der einzig wahre Freund. Im Jap Ji erklärt Guru Nanak:

Der Heilige ist der Höchste Erwählte und geachtet in seinem Reich,

er ziert die Schwelle zu Gottes Tür und wird selbst von Königen verehrt.

 

Und wiederum:

Der Satguru hat mir die Gabe der Einsicht verliehen,

und ich sehe all meine Zweifel beseitigt.

Der Engel des Todes kann mir kein Leid mehr bereiten,

da der Bericht über meine Taten ausgelöscht ist.

 

Der Pfad der Heiligen fuhrt in eine ganz andere Richtung. Für die Ini­tiierten gibt es keinen Gerichtshof. Der Heilige ist überall gegenwär­tig und sein Einfluß erstreckt sich auf ungeahnte Bereiche. Niemals verläßt noch versäumt er seine Schüler, bis an der Welt Ende. Er ver­sichert uns feierlich:

 

Jedermann, ich will mit dir gehen und dein Führer sein;

in der größten Not will ich dir zur Seite stehen.

 

                              Aus "Jedermann " von Hofmannsthal

 

Keiner ist mehr gebunden als einer, der zu Unrecht glaubt, frei zu sein. Die Falle für den hochgeborenen Geist ist der Ehrgeiz. Jene, die im weltlichen Sinn des Wortes reich sind, scheinen bequem zu le­ben. Sie mögen in der Vergangenheit manche gute Saat gesät haben und ernten in der Gegenwart offensichtlich eine reiche Ernte, oder sie handeln nach dem Grundsatz: „Horten, raffen, an sich reißen" und bauen sich für die Zukunft ein Hornissennest. All diese Men­schen, die im Überfluß leben, vergessen unglücklicherweise, daß sie in jedem Fall durch "unsichtbare Fesseln aus Gold" gebunden sind und unwissentlich Leid entgegengehen.

Ein bekanntes Sprichwort sagt, daß die Paläste und Mauern der Mächtigen mit dem Schweiß und den Tränen der Armen errichtet wurden. Wenn man in der Vergangenheit nicht Gutes gesät hat, kann man in der lebendigen Gegenwart keine reiche Ernte einbringen. Es kann auch sein, daß man unmerklich und für keinen sichtbar die Last einer Schuld mit sich trägt. Wenn man nicht jetzt gute Saaten sät, wie kann man erwarten, sich der augenscheinlich guten Früchte in der Zukunft zu erfreuen und für wie lange?

Darüber hinaus können einem gute Taten allein nicht von den Rück­wirkungen schlechten Tuns befreien, geradeso wie schmutziges Wasser nichts reinwaschen kann. Wie ein christlicher Heiliger sagt, sind wir bei all unserer Rechtschaffenheit nichts als unreine Knechte. Keiner ist rein, nein, auch nicht einer. Der Mensch unterliegt immer dem Gesetz des Gebens und Nehmens oder der Beloh­nung und Bestrafung. Dem Weg des guten Handelns zu folgen ist fraglos etwas Wünschenswertes und besser als der Weg übler Taten, aber das ist nicht genug. Ein ethisches Leben kann einem den Auf­enthalt im Paradies für eine lange Zeit sichern, wo er sich in aller Wonne der himmlischen Glückseligkeit erfreut, aber auch dort ist er noch im astralen oder kausalen Körper gefangen und hat sich noch nicht vom Kreislauf der Geburten und Tode befreit. Solange man sich als den Handelnden betrachtet, kann man dem Rad der Gebur­ten nicht entkommen und hat die Früchte seines Handelns zu ertragen. Einzig die Verbindung mit dem Heiligen Geist, dem heili­gen Naam oder Wort hilft dem Menschen bei seinem Aufstieg zu den höheren spirituellen Regionen, weit entfernt von den Geistern derer, die immer wieder Geburt und Tod erleiden und sich in end­losem Kreislauf auf- und ab bewegen, ohne einen Ausweg zu finden.

Hölle und Himmel sind die Regionen, in denen die vom Körper ge­trennten Geister relativ lange Zeit, entsprechend ihrer guten oder schlechten Taten, wie der Fall gerade liegt, zu bleiben haben. Wie lange sie sich dort auch aufhalten müssen, es ist nicht für immer und löst sie auch nicht aus dem unerbittlichen Kreislauf der Geburten und Tode heraus. Das Paradies (Himmel oder Garten Eden) ist das El Dorado gewisser Glaubensgemeinschaften. Von vielen wird es auch als Erlösung bezeichnet.

Das ändert nichts an der Tatsache, daß man, nachdem man sich der Wohltaten des Paradieses für die Zeit erfreut hat, die durch die guten Taten bestimmt wurde, wieder einen menschlichen Körper erhält, denn er allein bietet einem die Gele­genheit, jene Verdienste zu erwerben, die schließlich zu Befreiung führen. Selbst die Gott dienenden Engel verlangen nach der menschlichen Geburt, wenn sie glauben, ihre Aufgabe erfüllt zu haben. Wenn wir also dem allgemein anerkannten und für richtig befundenen Pfad des guten Handelns folgen, an den die meisten von uns glauben, findet man sich letztlich wiederum im Netz der uner­sättlichen Begierden und des Ehrgeizes verstrickt; und mit diesem glitzernden und stets flüchtigen Irrlicht vor Augen, bleibt der Mensch unwissentlich im stählernen Griff der Karmas gefangen. Um sein Ziel zu erreichen, verrichtet er Tapas (verschiedene Arten asketischer Härten und Bußübungen), die ihm zu einem besseren Leben verhelfen sollen. Und wenn er dann die Herrschaft über ein Königreich gewinnt, läßt er seinem Gemüt freien Lauf, setzt sich über alle Schranken hinweg und vollbringt gewaltige Heldentaten großer Tapferkeit und Mutes, von denen die meisten schlimm genug sind, ihn in die Hölle zu bringen. Nachdem er die bittere Lektion der Höllenfeuer erfahren hat, in die er sich gestürzt hat, versucht er wie­der um in den Tapas Trost zu finden. So bleibt er immer gefangen und in den unheilvollen Kreislauf der Versuchungen und Verlockungen verstrickt, der von der Hölle zur Buße, von den Bußübungen zur Herrschaft und von dort wieder in die Hölle führt — immer wie­der aufs Neue in der Gestalt eines endlosen Kreislaufs, der ihn auf dem Rad des Lebens aufwärts und abwärts trägt. So schafft sich jeder selbst Himmel und Hölle und bleibt durch die eigenen üblen Taten in dem feinmaschigen Netz des Lebens verstrickt, das er sich selbst gewebt hat.

Wer dem Weg der Heiligen folgt, dem mittleren Pfad, der genau zwi­schen den beiden Augenbrauen beginnt, kommt mit den Regionen von Hölle und Paradies nicht in Berührung, denn er umgeht den Pfad des Karma-Yogi. Selbst wenn eine Seele, die unter dem Schutz eines Meister-Heiligen steht, für eine Weile in die Irre geht, ist ihre Errettung dennoch gewiß. Obgleich die Heiligen lebende Beispiele der Demut sind und nicht von der Befugnis sprechen, die ihnen übertragen wurde, weisen sie doch zuzeiten indirekt auf die erlösen­de Kraft der Heiligen hin, die vor ihnen lebten. Die Schriften zeigen auf, daß Sant Satguru Nanak einen Schüler errettete, der sich auf einem Irrweg befand, der in die Hölle führte. Der Heilige mußte um eines verlorenen Schafes willen die Höllenglut aufsuchen und seinen Daumen in die flüssigen Höllenfeuer tauchen. Und er kühlte dadurch den ganzen Schmelzofen der Hölle ab, was nicht nur einer, sondern einer Vielzahl sündiger Seelen, die in großer Not mitleider­regend wehklagten, Linderung verschaffte. Aus der Zeit Radscha Janakas und anderer werden uns ähnliche Ereignisse berichtet. Auch mein Meister Hazoor mußte einmal einen Schüler dem Verderben entreißen, der sich auf einem Irrweg nach unten befand. Wie kann es dann für einen gewöhnlichen Menschen Erlösung von der Hölle geben?

 

Alle Mühen jener enden, die sich der Übung

des heiligen Wortes weih 'n;

und ihr Antlitz, o Nanak, wird voll Glanz erstrahlen,

und viele Seelen werden mit ihnen Erlösung finden!

 

Es gibt noch eine andere Region, die von den Moslem-Heiligen Eraf (oder Fegfeuer) genannt wird und die Freuden wie auch Schrecken in variierendem Ausmaß bereithält. Mehrere Meister verschiedener Grade haben Erfahrungen mancher Arten von Ängsten und Höllenqualen beschrieben. Das alles entspringt nicht einer einfallsreichen Phan­tasie, sondern ist sehr ernst gemeint und des Nachdenkens wert. Und ob man es glaubt oder nicht, der Schüler eines Heiligen wird von all dem nicht betroffen. Solange er seinem Meister-Heiligen (Sant Satguru) treu ist, kann ihm keine Macht der Welt auch nur ein einziges Haar auf dem Kopf krümmen. Ein wahrer Schüler eines Sant Satguru sagt treffend:

 

Ich handle nur mit den Heiligen und habe allein mit ihnen zu tun;

durch das Guthaben, daß sie mir gewährten, wurde ich von aller Täuschung befreit, und der Todesengel kann mir nun kein Haar mehr krümmen, da der ganze Bericht meiner Taten den Flammen übergeben worden ist.

 

Wiederum heißt es:

Der Engel des Todes ist in der Tat unüberwindlich,

und keiner kann ihn besiegen;

aber in der Gegenwart des Tonstromes des Meisters ist er machtlos;

der bloße Klang seines Wortes

erfüllt ihn mit Schrecken und läßt ihn entflieh'n.

denn er fürchtet, der Herr der Heerscharen könnte ihn selbst zu Tode treffen.

 

 

V

 

Es gibt nicht einen, von dem man sagen könnte, er sei alleine ge­boren, denn wie könnte er getrennt von anderen leben? Neben un­serer Arbeit sollten wir auch den Bedürftigen, Kranken und Hun­gernden dienen, was weit wirksamer ist als bloßes Predigen. Unei­gennütziges Dienen schürt und entfacht die Glut des Mitleids, der Güte und Liebe. Diese Tugenden haben eine große läuternde Wir­kung, machen den Menschen von allen Unreinheiten frei und geben ihm ein Anrecht auf das höchste Wissen von Gott. "Ohne Fleiß kein Preis", lautet ein bekanntes Sprichwort.

Ahimsa oder Nichtverletzen heißt nicht nur, Töten, Gewalt und Un­recht zu meiden, sondern schließt auch üble Gedanken und böse Worte mit ein. Wenn es auch für Bestien oder wilde Tiere nicht gel­ten mag, so erfüllt Ahimsa den Menschen mit einer Stärke, die nicht nur viele Tugenden übertrifft, sondern die höchste und überragendste aller Tugenden bildet. Die Hilfe, die einem aufrichtigen Sucher auf dem Pfad zu Gott zuteil wird, ist von weit größerem Wert als jeder andere Dienst. Anderen zu helfen bedeutet natürlich auch, an die wirklich Armen und Bedürftigen Almosen zu verteilen, jenen Gutes zu tun, die an unzugänglichen Stellen außergewöhnlich schwere Arbeit leisten, Kranke zu pflegen und den Notleidenden beizuste­hen. All diese Tugenden sind eine große Hilfe auf dem Pfad und soll­ten durch unermüdliche Ausübung gefördert und entwickelt wer­den. Aber man darf sich damit allein nicht zufrieden geben, sondern muß sich bemühen, mit der Hilfe dieses Reinigungsprozesses auf dem Weg zur Freiheit voranzuschreiten, wie es uns der Meister zur Pflicht gemacht hat.

Liebe ist das Allheilmittel für die meisten Übel der Welt. Sie bildet den Kern aller anderen Tugenden. Wo Liebe ist, da herrscht Friede. Liebe, und alle Segnungen werden dir zuteil, lautet der zentrale Gedanke der Lehren Christi. Das ganze Gebäude des Christentums fußt auf den beiden untrennbaren Grundsätzen: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft", und „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst." Gott ist Liebe und so auch die menschliche Seele, da sie ein Funken des­selben Geistes ist. Johannes sagt: „Wer nicht liebt, kennt Gott nicht, denn Gott ist Liebe", und „wer Gott liebt, der liebt auch seine Brü­der". Guru Gobind Singh betonte mit gleichem Nachdruck die grundlegende Notwendigkeit der Liebe: „Wahrlich, ich sage euch: Gott offenbart sich nur jenen, die lieben." Ein Moslem-Heiliger sagt:

Gott erschuf den Menschen als eine Verkörperung der Liebe;

zu seiner Verherrlichung hätten seine Engel völlig genügt.

 

Zur Krönung all dieser Tugenden gehören noch Wahrhaftigkeit und ein gutes Leben. (Siehe Anhang I.) Vor allem sollte man zu sich selbst ehrlich sein. Die meisten von uns leiden unter dem Übel, daß unsere Gedanken, Worte und Handlungen nicht im Einklang stehen. Wir denken etwas ganz anderes, als unsere Zunge sagt, während unsere Hände wiederum etwas anderes tun. "Sei dir selbst treu, und es folgt wie die Nacht dem Tage, du kannst nicht falsch sein gegen irgendwen." (Shakespeare) Ihr lebt in diesem Körper, und Gott, die beherrschende Kraft, wohnt auch in ihm. Wenn ihr zu euch selbst wahr seid, habt ihr keinen zu fürchten. Wenn ihr jemanden täuschen wollt, müßt ihr zuerst euch selbst betrügen. "Rama kann Rama nicht betrügen", waren die Worte von Swami Ram Tirath, als ihn jemand vor den trügerischen Wegen der Welt warnen wollte. Wahrhaftigkeit ist die größte aller Tugenden, doch eine wahre Lebensweise ist etwas noch Größeres.

Wir müssen versuchen, in diesem Tempel des Heiligen Geistes ein reines und sauberes Leben zu fuhren und dürfen ihn nicht durch Unwahrheit und Begierden des Fleisches beschmutzen und so in eine Wechselstube des Teufels verwandeln. Es wird allgemein geglaubt, daß Wohlstand die Quelle des Friedens ist, doch er täuscht die Toren wie ein Irrlicht und bringt die Reichen in Gefahr. Er läßt dem Gemüt die Zügel schießen; und wenn es ein­mal vom rechten Weg abgewichen ist, nimmt es sorglos Sünden auf sich, die schreckliche Folgen nach sich ziehen. Sein "Selbst" mit Gedanken, Worten und Taten völlig dem Schmutz weltlicher Un­reinheit hinzugeben ist eine abscheuliche Sünde, und ihr Sold ist der Tod. Die Wege, die zu weltlichem Reichtum und die, die zu Gott führen, liegen weit auseinander. Wir können nur einen von ihnen beschreiten, und wir müssen uns entscheiden. Das Gemüt ist ein un­geteiltes Ganzes, das den Körper einerseits mit der Seele und ande­rerseits mit der Welt und dem weltlichen Reichtum verbindet. So muß man zwangsläufig zwischen diesen beiden Möglichkeiten, die sich gegenseitig ausschließen, wählen. Wenn die Entscheidung ein­mal gefallen ist, muß man sich notgedrungen unaufhörlich darum bemühen, das Ziel zu erreichen, welches es auch sei. Doch Wohl­stand an sich ist kein Hindernis auf dem Weg der "Spiritualität", da sie das gemeinsame Erbe aller ist, der Reichen und der Armen glei­cherweise, und keiner kann sie als besondere Gabe für sich be­anspruchen.

Alles, was man braucht, um den Pfad erfolgreich zu beschreiten, ist wirkliches Verlangen, ehrliche Absicht, ein reines Leben und zielbe­wußte Hingabe an die Sache. Ein Reicher muß natürlich darauf ach­ten, daß er kein Unrecht begeht, um seinen Reichtum zu vermehren, und daß er sein ehrlich verdientes Vermögen für einen guten Zweck verwendet und nicht für kurzlebige Dinge verschwendet. Er wird seinen Reichtum immer als ein heiliges, von Gott anvertrautes Gut betrachten, das er bekam, um den Armen und Bedürftigen, den Hungernden und Durstenden, den Kranken und Leidenden zu helfen; denn als Menschen und Kinder desselben Vaters haben sie alle ein Recht auf seinen Beistand. Das war der Rat des Weisen Ashtavakra an Radscha Janaka, als er ihm nach der Gewährung einer wirk­lichen Erfahrung der Wissenschaft der Seele sein Königreich zurück­gab, das der König vor der Einweihung (Initiation) in den heiligen Pfad tatsächlicher spiritueller Erfahrung seinem Meister-Lehrer übergeben hatte. Er (der Rishi oder Gottmensch) riet ihm, sein Königreich als Geschenk zu betrachten und seine Macht zur Ver­besserung der Lebensbedingungen des Volkes und Landes, das Gott seiner Obhut anvertraut hatte, zu gebrauchen. Wenn auf rechte Weise erworbener Reichtum nicht gut und weise genutzt wird, gerät man leicht auf Abwege, wird selbstsüchtig und zum Sklaven des unrechtmäßig erworbenen Reichtums und verfängt sich unmerklich in goldenen Ketten, die einem in Knechtschaft halten. Um uns davor zu warnen, ermahnte uns Christus mit unzweideutigen Worten, "daß es für ein Kamel leichter ist, durch ein Nadelöhr zu gehen, als für einen Reichen, das Reich Gottes zu betreten". Der Nobelpreis­träger T. S. Eliot sagte: „Denkt nicht an die Ernte, sondern einzig an die rechte Saat."

Somit ist die Aussaat von vorrangiger Bedeutung, denn die Güte der Ernte hängt von der Qualität der gesäten Saat ab. Danach kommt die rechte Aufzucht, der Prozeß der Menschwerdung, der gewöhnlich lange Zeit erfordert und sich über mehrere Verkörperungen er­streckt, wie es der durch die Vergangenheit bestimmten mentalen Beschaffenheit des einzelnen entspricht. Aber mit der rechten Art von unerschütterlicher Hingabe und der Gnade der Meisterkraft kann man diesen sonst sehr schwierigen und gewundenen Pfad leicht durchschreiten. "Doch ein vollendeter Meister, der mit den Krüm­mungen und Wendungen des Weges wohlvertraut ist", sagt Kabir, "kann den Schüler im Nu hindurchgeleiten." Eine Pilgerseele, die einen kompetenten Führer hat und sich ernsthaft bemüht, kann leicht über das Meer der Welt schwimmen, auch wenn sie mitten im weltlichen Leben steht. Jene, die nicht täglich Bhajan und Simran Zeit widmen, befinden sich immer in Schwierigkeiten. Sie treiben in einem endlosen Strom lustbringender Freuden dahin. Die Übung von Vairagya (Loslösung von der Welt) durch rechte Unterschei­dung hilft beim Vorgang der Selbstreinigung, und nach und nach wird der Schüler befähigt, den Upas-Baum der unzähligen Wünsche zu fällen, indem er erst die Zweige abschneidet und dann auf den Stamm einschlägt.

Keiner ist ohne Fehler. Der Mensch ist ein Kind des Irrtums; und der Irrtum ist stets sein Bekenntnis. Obwohl es menschlich ist, in Sünde zu fallen, ist es doch schändlich, in ihr zu verbleiben. Es bringt keinen Gewinn, schlechte Ware zu horten. Es ist gut, in einem Tem­pel geboren zu werden, aber in ihm zu sterben ist Sünde, denn wir müssen uns nach und nach über all die Formen und Förmlichkeiten der Kindergarten-Stufe erheben, die alle Religionsgemeinschaften bieten, und in den Sonnenschein der Spiritualität hineinwachsen. Wenn wir unsere Zukunft in etwas Göttliches gestalten und zur Wirklichkeit des Jenseits erwachen wollen, müssen wir den Pfad er­forschen. Wer nicht an die Zukunft denkt, wird bald die Gegenwart bereuen. Die Sünden und Sorgen sind unsere ständigen Begleiter und folgen einander Hand in Hand. Die kleinen Schwächen fuhren allmählich zu den größeren; doch solche, die man sich eingesteht, hat man bereits halb überwunden. Aufrichtige Reue, der gute Taten folgen, hilft in großem Maß, Leid zu mildern. Der Mensch würde wenig für Gott tun, wenn der Teufel tot wäre. Wer unter dem Schat­ten eines drohenden Unheils lebt, der lebt am besten, denn er be­müht sich aufs äußerste. Es ist recht leicht, andere zu kritisieren, aber sich selbst zu ändern ist furchtbar schwer, denn wir sehen den Balken im eigenen Auge nicht. Gottesfurcht ist der Anfang der Weisheit; und einer Gefahr, die man vorhersieht, ist man bereits halb entgan­gen. Wer gewarnt ist, der ist gewappnet. Menschen, die an die physische Ebene gebunden sind, müssen die Gebote eines "befreiten" Meister-Heiligen befolgen, wenn sie sich selbst aus der Täuschung von Gemüt und Materie befreien wol­len. Legt die Last all eurer Verantwortlichkeiten zu den Füßen eures spirituellen Meisters nieder, und der tödliche Griff der Sünden wird langsam aber sicher seine Macht über euch verlieren. „Verlasset alles und folget mir nach", lautete die Ermahnung Lord Krishnas. „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken", sagte Christus. Der ergebene Schüler empfindet wirklich, daß ihm selbst das Krankenzimmer zum Tempel der Hin­gabe wird. Ein Meister, der in der Ausübung des Heiligen Wortes wohlbewandt und in der Lage ist, andere darin zu unterweisen, zu initiieren, ist der wahre Meister und ein Vollendeter Führer (Murshid-i-Kamil). Wie ein fähiger und tüchtiger Verwalter vermag er all unsere Taten und Rechnungen zu begleichen, indem er uns gleich Jesus anrät: „Sündiget nicht mehr!" Und Hazoor Sawan Singh Ji handelte ähnlich, wenn ein Schüler bei einer öffentlichen Ver­sammlung einen Fehler bekannte und um Nachsicht flehte. Sanft hob er seine rechte Hand und sagte: „Bis hierher und nicht weiter!"

Sollen wir denn nichts tun? Wie kann das sein? Die Antwort ist ein­fach. Solange ihn das Gemüt beherrscht, kann ein Mensch nur han­deln, und auch wenn er seine Taten gemäß den Weisungen des Mei­sters einschränkt und gleichzeitig höchste Tugenden entwickelt, bleibt ihm keine andere Wahl, als zu handeln. Durch Nichtstun lernt man nach und nach, Schlechtes zu tun, und erschließt wie Pandora das Übel, das in einem verborgen liegt. Wenn man wünscht, auf Rosen gebettet zu sein, muß man sich erst mühen, sie zu züchten und zu pflegen. Doch unser Handeln bleibt stets dem Zufall über­lassen und ist auf selbstsüchtige Ziele gerichtet. Wir wissen nicht, was wir tun, noch was wir lassen sollen. Der Meister-Heilige ist der Gött­liche Gebieter seiner Zeit. Durch seine Liebe und Führung, Unter­weisung und Beispiel leitet er die Menschen zu Taten der Hingabe und Verehrung und entfaltet in ihnen Liebe für die Göttlichen Bin­deglieder (Naam oder das Wort, die innere Stimme Gottes, Kalma oder Kalam-i-Quadim, Akashbani oder Bang-i-Asmani), die er in ihnen offenbart.

Man wird einen Meister nicht seiner Wohnstatt wegen achten, viel­mehr die Wohnstatt seinetwillen. Denn der Heilige ist es, der unserer höch­sten Achtung, Liebe und aller Verehrung würdig ist. Er gewährt uns die Verbindung mit dem Göttlichen und ein Erlebnis momentanen Vergessens unseres körperlichen Selbst, wodurch wir einen deutli­chen Blick auf die göttlichen Bindeglieder in uns erlangen; und dann wird uns stufenweise mehr und mehr der mystischen Erfahrung zu­teil. In seinen Satsangs oder spirituellen Vorträgen wird vielen Sün­den der Vergangenheit kurzer Prozeß gemacht. Durch seine Ge­meinschaft, sei es in Gedanken, durch Briefwechsel oder in der Me­ditation, wird uns große Hilfe hinsichtlich der Karmas und sünd­hafter Beziehungen zuteil. Wenn auch die Sünden des Menschen endlos sind, nimmt doch zur gleichen Zeit auch die grenzenlose Gnade Gottes, die seiner unermeßlichen Schatzkammer entströmt, kein Ende. Wo wir uns auf dieser Lebensreise auch immer befinden mögen, an welchem Ort, in welcher Religion, in welchem Land oder in welcher Gemeinschaft, unser wichtigstes Gepäck und Gut ist Naam (das heilige Wort), die Verbindung mit dem lebendigen "Rettungsanker" im Inneren: dem Licht und der Stimme Gottes. Die verschiedenen Namen Gottes dagegen, die wir gewöhnlich kennen und so oft wiederholen, sind bloße Worte, die wir selbst erfunden haben, um die namenlose Wirklichkeit zu benennen, die ein unteil­bares Ganzes, unaussprechlich und unbeschreibbar ist. Der Sant Satguru oder Meister-Heilige ist der Heilige Vater, der von weither und zum Nutzen aller kommt, ganz gleich ob Sünder oder tugendhaft; denn beide sind genauso in den Fesseln der Welt gefan­gen, ob diese nun aus Gold oder Eisen sind. Er liebt alle, und diese Liebe läßt ihn vergeben. Fürchtet niemals, euch ihm zu nähern, bloß weil ihr Sünder seid. Er würde es nicht zulassen, daß eines seiner Kinder zur Strafe in eine Besserungsanstalt oder in ein Gefängnis käme oder es gar selbst dorthin senden, noch es einer Folterung un­terwerfen. Ein liebender und gütiger Vater würde das niemals tun. Der Meister wird das irrende Kind eher selbst zurechtweisen oder ihm etwas körperliches Leid auferlegen, um es zu berichtigen, und wird doch, wenn auch unsichtbar, stets bei ihm bleiben, um es von innen zu stützen, bis die kurze Zeit des Schmerzes vorüber ist. Er handelt genau wie ein Meister-Töpfer, der das Gefäß auf der Dreh­scheibe vorsichtig mit einem Schlegel bearbeitet, um ihm die rechte Form zu geben, während er die andere Hand von innen dagegenhält, damit es nicht zerbricht. Die Liebe des Meisters ist grenzenlos. Das Reich eines Darvesh ist eines der Gnade.

Es ist die Pflicht des Gefängnisvorstehers, die Gefangenen einge­sperrt zu halten, sie zu züchtigen und zu bessern. Gleicherweise war es immer das Ziel der Gottheiten und göttlichen Verkörperungen (Avatare), die Menschen an sich gebunden zu halten, indem sie sie mit den Gaben verschiedener Ridhis und Sidhis überschütteten. (Das bezieht sich auf die Gewährung von Gaben, Vergünstigungen und Gnadenerweisen wie Reichtum, Erleichterung und Hilfe bei der Erfüllung weltlicher Pflichten und die Verleihung übermenschlicher Kräfte, die sich zum Guten oder Bösen gebrauchen lassen.) Doch sie können ihren Ergebenen diese begrenzten Erleichterungen und Hilfen nur bis zu jener Stufe gewähren, die sie selbst erreicht haben und ihnen darüber hinaus in den Regionen, die sie beherrschen, je­derzeit einen Aufenthalt in ihrer Nähe gewähren. Aber sie können uns nicht helfen, die Einswerdung mit dem Allmächtigen zu errei­chen, da diese untergeordneten Kräfte dieses höchsten Vorrechts selbst beraubt sind.

Die oben erwähnten Sidhis oder außergewöhnlichen Fähigkeiten sind Yoga-Kräfte, die dem Wahrheitssucher nach ein wenig Sadhan (Übung) von allein zufallen; doch auf dem Weg zur Gottverwirklichung stellen sie entschiedene Hindernisse dar, da wir gemeinhin versucht sind, dem Verlangen nach Wundertaten wie Gedankenle­sen, Wahrsagen, Hellsehen, die Kraft, Materie zu durchdringen und Wünsche zu erfüllen, geistiges Heilen, Hypnose, Magnetismus und ähnlichem nachzugeben. Es gibt acht Arten dieser Sidhis:

 

Anima:       äußeren Augen unsichtbar zu werden

Mahima:     den Körper in jedem Maße auszudehnen

Garima:      den Körper so schwer zu machen, wie man will

Laghima:    den Körper beliebig leicht zu machen

Prapti:        alles durch den bloßen Wunsch zu erlangen

Ishtwa:       allen Ruhm für sich zu gewinnen

Prakayma:   das Vermögen, die Wünsche anderer zu erfüllen

Vashitwa:    Erringen von Einfluß und Macht über andere.

 

Doch ein wirklicher Mahatma, der Zugang zum höchsten Bereich hat, vergibt und befreit und gewährt uns in diesem Leben Zutritt zum Reich Gottes, vorausgesetzt natürlich, man ist völlig entschlos­sen, sich ihm hinzugeben und seine Gebote mit liebevollem und aufrichtigem Herzen zu befolgen. (Siehe Anhang II). Aber für jene, die gewohnt sind, dem Diktat ihres eigenen Gemüts Folge zu leisten, ist das eine eher schwierige Aufgabe. Es entspricht der schwankenden Natur des un­kultivierten und unbeherrschten Gemüts, etwas einmal anzuneh­men und ein anderes Mal wieder dagegen aufzubegehren. Heilige wie Maulana Rumi gehen sogar soweit, zu sagen:

 

Komm', komm' wieder und immer wieder,

selbst wenn du die Treue tausendmal gebrochen hast,

denn in der erlösenden Gnade eines Meister-Heiligen

gibt es stets einen Platz für dich.

 

Wenn ihr einmal des Meisters Eigen geworden seid, wird er euch nie­mals aufgeben, auch wenn ihr in einem Moment der Versuchung und Prüfung der Schwäche nachgebt und ihn verlaßt oder vom Pfad abirrt. Die Christus-Kraft hat erklärt: „Ich will dich nicht verlassen noch versäumen bis an der Welt Ende." Er hat sein eigenes Gesetz der Liebe und Barmherzigkeit, um sich jeden Augenblick um jeden einzelnen zu sorgen, auch wenn sich einer den Weg der Selbstdiszi­plin verlängert, indem er die Liebe des Meisters verschmäht. Die Quelle allen Friedens und allen Glücks liegt über dem physischen Körper und im Innern des Menschen. Wer keinen inneren Frieden hat, sollte dem Selbst, dem Gemüt und der Seele die rechte Nahrung angedeihen lassen. Das Wort oder Naam ist der wahre "Tröster", der Friedensbringer und Gewährer von Ruhe und Erlösung. Die allge­meine Bedeutung des Wortes Erlösung, die uns das Wörterbuch gibt, sollte nicht als bloße Befreiung von den Sünden verstanden werden. Es bedeutet Freiwerdung vom Zyklus der Geburten und Tode und Einswerdung des Geistes mit dem Herrn und geistiges Leben in Ewigkeit.

Der gewöhnliche Mensch macht sich nicht viel aus der Erlösung, und das gilt auch für viele geistige Bewegungen. Die Gründer der verschiedenen Religions-gemeinschaften haben ihre spirituellen Er­fahrungen der inneren Bereiche offenbart, zu denen sie Zutritt hatten, und sie als das höchste oder letzte Ziel der Erlösung und als ewiges Leben beschrieben. Der Meister-Heilige ist ein Besucher all dieser himmlischen Regionen und beschreibt seine Stellung manchmal in Form von Gleichnissen. Er erklärt mit unzweideutigen Worten: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolget, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben." Die Heiligen treten demnach für die ewige Erlösung in unse­rem gegenwärtigen Leben und nicht nach dem Tode ein, denn wer weiß, was dann geschieht. Die Erlösung nach dem Tode mag sich letztlich als bloße Täuschung erweisen; und es ist nicht gut, das Leben in einem fortwährenden und nicht endenwollenden Zustand der Ungewißheit zu verbringen. Wäre der Tod ihre Vorbedingung, bliebe die Erlösung nichts als ein Phantasiegebilde. Ein wirklicher Heiliger befreit die Seele jetzt in diesem Leben von aller Gebun­denheit an Geburt und Tod. Er vertraut auf den "Tod im Leben" oder die Befreiung während des Lebens, was in der Sprache des Yoga Jivan-Mukti genannt wird. Die Seele kann sich also mit dem Unaus­sprechlichen Einen verbinden, während sie noch im Körper lebt; und zum Zeitpunkt des endgültigen Lösens der inneren Bindung an den Körper wird sie schließlich im Allmächtigen aufgehen. Gemeinhin wird geglaubt, daß wir nach dem physischen Tode die Erlösung erlangen. Der Begriff "Tod" schließt jedoch das zeitweili­ge und willentliche Zurückziehen der Geistesströme vom physi­schen Körper mit ein und bedeutet nicht nur endgültige Auflösung und Zerfall des physischen Körpers in seine einzelnen Bestandteile, wie man gewöhnlich annimmt. Es widerspricht der Vernunft, zu glauben, daß ein Mensch, der während seines Lebens nur an welt­liche Dinge gedacht hat, nach dem Tode augenblicklich zur befrei­ten Seele wird. Die ethisch geschulten, spirituell Ergebenen erlangen die Erlösung noch während des Lebens und besiegen somit im Le­ben den Tod, den letzten Feind der Menschheit. "Ich lebe, aber doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir", erklärte Paulus. Und mein Meister sagte stets: „Ein Pandit im Leben bleibt auch nach dem Tode ein Pandit."

Karmas aufzulösen und die Seele von all ihren Fesseln zu befreien, liegt nicht im Aufgabenbereich irgendeines Politikers, Diplomaten, Staatsmannes oder Ministers oder gar einer Regierung. Selbst die Avatare (Inkarnationen der höheren Kraft) sind in dieser Hinsicht hilflos. Auch die Götter und Göttinnen, die die niedrigeren Kräfte des Höchsten Wesens verkörpern, müssen, wie bereits erwähnt, auf die menschliche Geburt warten, bevor sie zum Höchsten gelangen können. Jene, die nicht in die "Wissenschaft des Jenseits" initiiert sind, kön­nen in Bezug auf das Schicksal oder Pralabha nur wenig Hilfe er­fahren und müssen es in voller Stärke und ohne jede Milderung er­tragen. Auch die Früchte des Kriyaman-Karmas oder der Taten, die sie unter dem Gebot des Gemüts in diesem Leben bewirkten, werden sie ohne jede Wahl in vollem Maße zu ernten haben. Das ist ein strenges und unerbittliches Gesetz, ob man es glaubt oder nicht. Das karmische Gesetz macht keine Ausnahme; es wirkt unerbittlich und zermalmt uns alle gleicherweise in der Tretmühle der Zeit.

 

Unsere Handlungen, ob gut oder schlecht,

werden vor sein Gericht gebracht;

und unsere eigenen Taten werden uns

aufwärts tragen oder in die Tiefe schleudern.

Jene, die sich mit dem Wort verbanden,

deren Mühen werden enden;

und ihr Antlitz wird voll Glück erstrahlen,

nicht nur sie werden die Erlösung erlangen,

o Nanak, sondern viele andere werden

mit ihnen die Freiheit finden!

 

Es ist demnach von höchster Bedeutung, nach einem Meister zu suchen, der fähig ist, den sonst endlosen Kreislauf der Karmas zu durchbrechen, zu seinen Lotosfüßen Zuflucht zu nehmen und uns vom übermächtigen Einfluß der eigenen Taten zu befreien.

 

 

Anhang I

 

Die wahre Lebensweise

 

Für die Entwicklung von Körper und Geist ist es von höchster Be­deutung, wie wir unser irdisches Leben gestalten. Folglich müssen wir uns bemühen, unser Leben zu vereinfachen, und lernen, ein wahr­haftiges Leben zu führen. Von der rechten Lebensweise hängt alles andere ab, auch die Suche nach dem Selbst und dem Überselbst. Die Bedeutung eines wahren Lebens kann nicht nachdrücklich ge­nug betont werden. Es heißt ganz treffend:

 

Die Wahrheit ist höher als alles andere,

aber ein wahres Leben ist noch etwas Höheres.

 

Einfaches Leben und edles Denken waren stets die Ideale unserer Vorfahren, und sie strebten immer danach. Aber in der heutigen Zeit verwenden wir kaum einen Gedanken auf sie, obwohl wir uns manchmal zu ihnen bekennen und ihnen ein Lippenbekenntnis er­weisen. Wenn es auch schwer scheinen mag, diese höchste Le­bensweise zu verwirklichen, ist es doch der Mühe wert, zu sehen, was sie umschließt, welche Mittel und Wege uns helfen, sie anzu­nehmen und uns zu eigen zu machen. Bei allem, was wir tun, setzen wir uns immer ein Ziel, untersuchen die damit verbundenen Ge­setzmäßigkeiten, erforschen die Methoden, die uns zu dem ersehn­ten Ziel führen und unterziehen uns schließlich einer regelmäßigen Prüfung, einer gründlichen Untersuchung, um zu erkennen, wie weit wir dem Ziel sichtbar nähergekommen sind. Um das zu errei­chen, müssen wir natürlich unsere ungeteilte Aufmerksamkeit ein­setzen und uns jeden Tag von Neuem aufrichtig bemühen, bevor wir in unserem Leben und Verhalten gegenüber uns selbst und den Menschen um uns herum einen merklichen Fortschritt verzeichnen können.

Das leitet natürlich zu der Frage, woraus denn das menschliche Le­ben besteht. Der betagte Mensch, der im Leben schon viel erfahren und von dem, was er von der Welt gesehen und erlebt hat, mehr als genug hat, wendet sich der Analyse seines Lebens zu. Besteht das Leben wirklich nur aus Essen, Trinken, Schlafen und Kinder in die Welt setzen; aus Furcht, Ärger und Kampf; Raffen, Horten und Hassen; darin, daß man sich jene unterwirft und gefangennimmt, die einem körperlich oder geistig unterlegen sind, und wieder an­dere tötet und sich ihren Besitz aneignet? Müssen wir denn unsere Tage über der Freude an unrecht erworbenen irdischen Gütern verbringen, mit dem einzigen Erfolg, daß uns am Ende ein erbärm­licher Tod bevorsteht, der uns selbst mit Schmerz erfüllt und auch jene, die uns lieb und nahe sind, die dabei stehen und trauern, voll Kummer zurückläßt? Und was ist mit all dem, was uns auf der Erde so gefesselt hat: Land, Häuser, Geld, Tiere und den anderen zahl­losen Besitztümern, die wir notgedrungen und ganz gegen unseren Willen zurücklassen müssen? Sollte angesichts dieser rauhen Wirk­lichkeit des Seins, die wir ständig erleben, das Anhäufen weltlichen Reichtums wirklich unser einziges Ziel sein — das Einundalles unserer Existenz — oder sollten wir nach etwas Höherem und Edlerem streben, das beständig und dauerhaft ist und hier wie auch im Jenseits bei uns bleibt? Die Antwort ist einfach: unser höchstes Ziel sollte sein, jene eine Allmächtige Kraft zu erkennen, die der Ur­grund und die Quelle allen Lebens ist, den Hort unseres Glücks und ewigen Friedens bildet und die auch den Weg zu unserer Be­freiung aus der furchtbaren Gebundenheit an Geburten, Tode und Karmas bildet,  denn sie ist das einzige, daß unseres Ver­langens und Strebens wert ist, denn sie stellt das "summum bonum", das höchste Gut des Lebens dar. Das höchste Ziel, das soeben umfassend beschrieben wurde, kann man nicht einfach durch Bitten oder bloßes Wunschdenken errei­chen.

Um dieses höchste Ziel zu verwirklichen, müssen wir uns erst auf die Suche begeben und einen finden, der uns helfen kann, diesen Weg auch tatsächlich zu gehen. Einen, der ans Ziel gelangt ist und das Reich Gottes selbst betreten hat und uns helfen kann, das gleiche zu tun. Wie Licht von Licht kommt, so Leben von Leben. Er wird uns beständig an unsere längst vergessene Heimat erinnern, den Garten Eden, der uns nun verloren ist; und uns dann die Schwächen und Versäumnisse unseres täglichen Lebens aufzeigen und uns schließlich helfen, anstelle unseres oberflächlichen und sinnlosen gegenwärtigen Daseins ein wirklich reines Leben höchster Tätigkeit zu führen. Diese Welt ist ein Haus voller Rauch und Ruß, und selbst wenn man all seine fünf Sinne zusammennimmt, kann man kaum vermeiden, sich hin und wieder zu beschmutzen, wenn man sich auch noch so bemüht, es zu vermeiden. Diese zahllosen Schmutz­stellen und Flecken sind tief in die Grundform unseres Seins einge­drungen und können nicht mit unseren eigenen, ungelenken, unbe­holfenen Versuchen wieder ausgewaschen werden. Jeder Mensch wird durch die Antriebskraft seiner Natur gezwungen, seine Rolle auf der Bühne des Lebens zu spielen und sich an sinnlosen Hand­lungen zu beteiligen, die nirgendwohin führen, wenn uns nicht die helfende Hand einer Meisterseele beisteht und unser Schiff unver­sehrt durch die Sandbänke und Untiefen steuert. Der Heilige ist solch ein göttlicher Helfer, ob man ihn nun Guru (Fackelträger), Lehrer, Satguru (gottgesandter Heiliger, eins mit der Wahrheit), Murshid-i-Kamil (vollendeter Meister), oder Hadi (Führer) nennt oder ihn als Bruder, Freund, Ratgeber oder mit einem anderen Na­men unserer Wahl bezeichnet.

   Eine weitere Analyse würde uns zeigen, daß das menschliche Leben in der Hauptsache von zwei wesentlichen Dingen bestimmt wird: von Ahar (der Nahrung) und Vihar (dem Verhalten zu den Mitmen­schen und anderen Geschöpfen), die das ganze Leben eines jeden Menschen umfassen und prägen. In diesen beiden Lebensbereichen handeln wir entweder nach der Überlieferung oder wie es uns die be­grenzten Informationen aus Büchern oder vom Hörensagen ermög­lichen. Und sie formen die Grundlage, die wiederum unsere Auffas­sung von Kultur und Zivilisation bestimmt, die sich in uns verwur­zelt und Gemüt und Verstand beherrscht.

   Es gibt kaum eine vernünftige Schulung, die dem Menschen in allen Lebensbereichen, ob physisch, geistig oder spirituell, die rechte Füh­rung zu geben vermag. Um diesem ungeordneten Zustand zu ent­fliehen, müssen wir das Thema eingehend erörtern und unser Da­sein in seine grundlegenden Elemente zergliedern. Es bedarf schon einer gründlichen Analyse, bis wir das Leben in seinem dreifältigen Aspekt, dem physischen, verstandesmäßigen und spirituellen, ge­stalten können.

 

 

Ahar oder Ernährung

 

Die Ernährung spielt natürlich eine große Rolle bei der Lösung der Frage des Lebens. Wir brauchen Nahrung, um unseren physischen Körper zu erhalten. Die Natur zwingt uns, so lange in der Welt zu bleiben, wie es durch die vom Schicksal festgelegte Lebenszeit be­stimmt wird oder bis sich unsere Karmas ausgewirkt haben. Wir müssen uns von irgend etwas ernähren, um unsere bloße Existenz zu sichern. In dieser Hinsicht ist der Mensch ziemlich hilflos. Das Ge­setz des Karma ist das unsichtbare Mittel der Natur, um die Welt in ihrem eisernen Griff zu halten, damit sie bevölkert bleibt und wei­terbesteht. Daher ist es von größter Wichtigkeit, sich vor der An­nahme gedankenloser, achtloser und unkritischer Eßgewohnheiten zu hüten. Da wir nicht ohne Nahrung leben können, müssen wir zumindest solche Nahrungsmittel auswählen, die unsere geistige Entwicklung am wenigsten beeinträchtigen. Unsere Nahrung sollte uns nicht unnötige karmische Schuld aufbürden, die wir mit ein we­nig Sorgfalt vermeiden können.

Wenden wir uns nun mit diesem Ziel vor Augen der Betrachtung dieses Naturbereichs zu. Die Nahrung des Menschen entstammt im wesentlichen der Erde; durch Wasser und Luft wächst sie im Boden heran. Wir sehen auch, daß alles von Leben erfüllt ist, ob es bewegt oder unbewegt ist. Die sich bewegenden Geschöpfe leben sowohl voneinander wie auch von der sich nicht bewegenden Schöpfung, das heißt von Ge­müse, Pflanzen, Sträuchern, Kräutern, Bäumen und dergleichen. Der Mensch jedoch freundet sich mit den Geschöpfen an und liebt sie (Vögel und Tiere), die sich von anderen Lebewesen erhalten, und macht sie zu seinen Haustieren. Die Alten wußten wohl, daß Men­schen, Vögel und Tiere alle in den gleichen karmischen Fesseln ge­bunden sind. Mit dem Gedanken einer allgemeinen Bruderschaft vor Augen haben die Menschen für sich und ihre Haustiere stets schwer gearbeitet. Sie bestellten das Land, bauten Früchte an und er­zeugten Nahrung für sich und ihre gefiederten Freunde, für ihre Ochsen und Kühe. Aber im Lauf der Zeit wurden sie bequem, was dazu führte, daß sie den Tieren zuerst die Milch raubten und dann auch noch ihr Fleisch verzehrten.

Den ethischen, sozialen und spirituellen Gesetzen gemäß, darf man nicht in das Leben irgendeines Tieres in Gottes Schöpfung eingrei­fen oder es beeinträchtigen. Diese Lebensweise wird in Indien Ahimsa oder Nichtverletzen aller lebenden Geschöpfe genannt. Dies führte zur vegetarischen Ernährung, die der nichtvegetarischen Ernährung gegenübersteht und sich wesentlich von ihr unterschei­det. Wenn wir die natürlichen und unnatürlichen Ernährungsfor­men gründlich überdenken, gelangen wir zu einem besseren Ver­ständnis der Frage der Gunas oder der angeborenen Neigungen, na­türlichen Anlagen und verborgenen Bestrebungen, die allen empfindenden Wesen innewohnen. Man muß die Nahrung in Samen, Ge­treide, Gemüse und Früchte einteilen, die man als Satvik oder Sato-guni, das heißt als reine Nahrung bezeichnet, die Gelassenheit, Hei­terkeit und Gleichmut hervorbringt, wie sie die Weisen und Seher kennzeichnet. Die Heiligen und Einsiedler, die sich zur Meditation in einsame Höhlen und Hütten zurückzogen, bevorzugten stets Kand (Kartoffeln), süße Kartoffeln, Zamikund oder Artischocken usw., die unter der Erde wachsen und gedeihen. Sie nahmen auch Mool und Phal zu sich: das eine sind eßbare Wurzeln, die unter der Erde wachsen, wie Radieschen, Steckrüben und Rote Beete. Und Phal (Obst) versorgte sie mit ausreichend Vitaminen und organi­schen Salzen in ihrer Grundform, um sie für ein Leben der Kon­zentration und Meditation tauglich zu machen. Manche Nahrungs­mittel wachsen natürlich im Überfluß, während andere mühevoll angebaut und erzeugt werden müssen. Die Körner und das Getreide waren für die Allgemeinheit bestimmt.

Satvik oder eine reine Nahrung aus Mool, Kand, Phal (Wurzelge­müse, Kartoffeln und Obst) verlängert das Leben und heilt eine An­zahl von Krankheiten und Gebrechen. Ihr Nutzen wurde inzwi­schen selbst von der Medizin erkannt. Heutzutage werden viele Me­dikamente aus Kräutern, Früchten und Samen bereitet und als äu­ßerst wirksam befunden. Auch alle anderen natürlichen Heilweisen wie Sonnenbäder, Seebäder, Moorbäder und Wasseranwendungen, Massage, Physiotherapie, Naturheilverfahren und Chromotherapie zeigen wunderbare Erfolge. Die Satvik-Nahrung und ein einfaches Leben tragen viel zur Entwicklung höchster Kultur und Zivilisation bei. Wir müssen stets daran denken, daß die Nahrung für den Men­schen und nicht der Mensch für die Nahrung geschaffen ist. Essen, um zu leben, und nicht leben, um zu essen, sollte ein Grundsatz unseres Lebens sein. Wenn wir diesem Gebot folgen, werden wir Empfänglichkeit für die höheren, ethischen und spirituellen Werte des Lebens entwickeln, die uns allmählich zur Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis führen.

Rajasic oder energiespendende Nahrung umfaßt neben pflanzlichen Lebensmitteln Produkte wie Milch, Sahne, Butter und Butterschmalz usw. auch von anderen Tieren als Kühen, wenn sie in Maßen zu sich genommen werden. Im alten Indien war der Genuß von Milch hauptsächlich der herrschenden Klasse vorbehalten, da die Könige besondere Kraft brauchten, um das wilde, aufrührerische und barbarische Volk unter Kontrolle zu halten, das sich nicht an die allgemein gültigen Lebensregeln hielt. Das Melken des Milchviehs war erst dann erlaubt, wenn die Kühe geboren hatten und gut versorgt waren; und man ließ genug Milch für die Ernährung ihres Nachwuchses, der Kälber, in den Eutern. Die übrige Milch war den Menschen nur unter besonderen Umständen erlaubt. Dieses spezielle Gesetz war dazu gedacht, die junge Zivili­sation vor der Entartung zu bewahren. Auch die Rishis der alten Zeit, die relativ isoliert und ganz für sich lebten und die meiste Zeit in ab­geschiedener Meditation verbrachten, nahmen Milch nur in begrenzten Mengen zu sich und ließen viel Milch für die Aufzucht der jungen Tiere in den Eutern.

In manchen indischen Dörfern gilt auch heute noch der traditionelle Brauch, nur den Überfluß der Milch zu verwenden. Doch heute ver­letzt der Mensch in seinem ungezügelten Verlangen nach Macht alle Gesetze der Natur unter dem Vorwand der sogenannten Freiheit, die er für sich in Anspruch nimmt. Unglücklicherweise sind wir darauf verfallen, dem Grundsatz zu glauben, daß "der Tüchtigste überleben wird", und müssen diese unkluge Einstellung nun teuer bezahlen.

Die einzige Überlegung, die heute gilt, ist soviel Milch wie möglich zu gewinnen, selbst auf Kosten der Kälber. Mancherorts wirft man sie unmittelbar nach der Geburt in kochendes Wasser und setzt Melkmaschinen an, um den letzten Tropfen Milch aus dem Euter zu pressen, um mit dem Wettbewerb und Gewinnstreben Schritt zu halten. Das wird dann stolz hohes technisches Können, Fortschritt und Zivilisation genannt. Die jungen Reformer von heute drängen der Menschheit solche Techniken und diesen Wettbewerb auf, statt Landwirtschaft und Viehzucht zu verbessern und einen Zuchtbe­stand aufzustellen, was niemandem schaden würde und die große Not beseitigen könnte, von der heutzutage so oft die Rede ist.

Tamsik oder abstumpfende Nahrung besteht aus Fleisch und alko­holischen Getränken, Knoblauch usw. und eigentlich aus allem an­deren Eßbaren, ob natürlich oder unnatürlich, abgelagert oder frisch. Jene, die zu einem hemmungslosen und ungezügeltem Essen Zuflucht suchen, leben, um zu essen und essen nicht, um zu leben. Ihr Lebensziel ist hedonistisch, einzig auf Triebbefriedigung gerich­tet, und ihr Wahlspruch lautet: „Eßt, trinkt und seid vergnügt." Sie stürzen sich kopfüber in die sogenannten Freuden des Lebens. Wenn sie mit ein wenig Konzentrationskraft begabt sind, verwenden sie all ihre Energie (geistig und physisch) darauf, ihr kleines Ich, das egoistische Gemüt, zu verherrlichen. Diese Verhaltensweise wird voll Selbstgefälligkeit als Zeichen hoher Zivilisation betrachtet. Jenen, die nach Erkenntnis des Geistes im Menschen und nach schließli­cher Befreiung der Seele von den Hüllen des Gemüts und der Ma­terie verlangen, wird eine solche Lebensweise von den Meistern der höchsten Ordnung strengstens untersagt.

Werden denkende Menschen hier kurz innehalten, um die wirkliche Lage des Menschen zu bedenken und zu erkennen? Warum ist er so stolz darauf, sich selbst das edelste der Geschöpfe, das Höchste und die Krone der Schöpfung zu nennen oder nennen zu lassen? Wohin treibt der Mensch so unbesonnen? Steht er nicht am Rande eines schrecklichen Abgrundes, den er jeden Augenblick hinabstürzen kann? Er hat sich durch sein eigenes Verhalten leichtfertig der Rache der Natur ausgesetzt. Er ist beständig in Gefahr, in die tiefsten Tiefen physischer und moralischer Vernichtung gerissen zu werden. Der Mensch hat sich im Hinblick auf seine Ernährung die Bestien des Dschungels zum Vorbild genommen und er handelt wie ein wildes Tier. Er erfreut sich nicht nur am Fleisch der harmlosen Tiere wie Kuh und Ziege, Hirsch und Schaf, an dem der unschuldigen Vögel in der Luft und der Fische im Wasser, sondern vergreift sich auch am Fleisch und Blut des Menschen, um seinen unersättlichen Hunger nach Gold und Reichtum zu stillen. Er ist seinen Weg der Selbst­erhöhung, den er stolz Fortschritt nennt, noch nicht zu Ende ge­gangen. Er sollte über die grundlegenden Wahrheiten, gemäß denen uns die Meister eine vegetarische Ernährung anraten und vorschrei­ben, tief nachdenken. Auch die Pflanzen haben latentes Leben in sich, wie es Wissenschaftler in der ganzen Welt nachgewiesen haben. Doch da wir unsere Rolle im Drama des Lebens auf der Bühne der Welt zu spielen haben und uns also ernähren müssen, um Körper und Seele zusammenzuhalten, sind wir auf das angewiesen, was die Erde hervorbringt.

Ja, Gemüse, Früchte und Körner enthalten natürlich Leben in sich. Das grundlegende Element des Lebens ist Wachstum und Verfall. Die Wahrheit dieser Aussage ist seit frühester Zeit gültig. Das ist kei­ne neue Ansicht, wenn auch manche Wissenschaftler diese Wahr­heit von neuem entdeckt haben und als ihr eigen beanspruchen.

Doch laßt uns nun zum Wesentlichen kommen. In der ganzen Schöpfung gilt das Naturgesetz, daß Leben von Leben abhängig ist. Wie die Geschöpfe anderer Schöpfungsstufen, so erhält sich auch der Mensch von Nahrung, die Leben in sich hat. Was die Aufnahme von Karmas betrifft, scheint der Mensch bei oberflächlicher Betrach­tung in der gleichen Lage zu sein wie andere Geschöpfe niederer Lebensordnungen, wie Tiere, Reptilien und dergleichen. Die Natur hat noch ein anderes Antriebsrad, das in dieser materiel­len Welt wirkt: das Gesetz der Evolution. Es bestimmt, daß alles Leben eine Stufe der Schöpfung nach der anderen durchläuft. Und da es sich von der einen Ebene zur nächst höheren erhebt, besitzt jedes Wesen einen besonderen Wert, der es von niedrigeren Stufen trennt. Die Grundlage, die seinen äußeren wie auch inneren Wert bestimmt, ist die stoffliche Qualität und der Verstand. Je wertvoller die materielle Zusammensetzung, die ein Wesen bestimmt, um so größer ist sein Verstand und somit sein Wert. Die Heiligen wenden dieses Gesetz an, um die Ernährungsfrage des Menschen zu lösen. Sie legen uns dieses Gesetz dar, ob wir es beachten oder nicht, da­mit wir unsere Ernährung verbessern und einer ernsthaften karmi­schen Verstrickung und Last so gut als möglich entgehen können, die uns sonst unentrinnbar gebunden hält.

Jede Art von Nahrung hat eine besondere Wirkung auf den Men­schen, die das Erlangen des höchsten Zieles der Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis erschwert. Dieses Gesetz stimmt mit dem über­ein, was wir gewöhnlich glauben, obschon wir uns der Ursache unse­rer Handlungen meist nicht bewußt sind. Wenn wir die folgenden Aussagen über unser tägliches Leben vergleichen, werden wir zu un­serer Überraschung feststellen, daß sich das, was wir im sozialen Be­reich als richtig erkennen, in gänzlicher Übereinstimmung mit dem Naturgesetz befindet, das hier erklärt wird.

Der menschliche Körper, in dem alle fünf Tatwas (die Grundele­mente der Schöpfung: Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther) unein­geschränkt wirksam sind, wird als der wertvollste erachtet. Darum nimmt er in der Rangordnung der Schöpfung die höchste Stelle ein; und man glaubt, daß er Gott — seinem Schöpfer — am nächsten steht. Das Töten der Mitmenschen gilt als schändlichstes aller Verbrechen, das mit dem höchsten Strafmaß oder der Todesstrafe geahndet wird. Die nächste Stufe in der Wertskala nehmen die Vierfüßler und andere Tiere ein, in denen vier Tatwas tätig sind, während das fünfte, der Äther, nahezu fehlt oder nur in sehr geringem Maß vorhanden ist. Das mutwillige Töten der Tiere, die einem anderen gehören, zieht somit nur eine Strafe nach sich, die dem Geldwert des betreffenden Tieres entspricht. Die nächste Stelle nehmen die Vögel ein, in denen drei Elemente wirken, nämlich Wasser, Feuer und Luft und die folglich als von geringerem Wert betrachtet wer­den. Jenen Geschöpfen, in denen nur zwei Elemente lebendig sind — Erde und Feuer — und in denen die anderen drei in schlafender oder verborgener Form existieren, wird ein noch geringerer Wert beigemessen. Das sind die Reptilien, Würmer und Insekten, die ohne die geringsten Bedenken oder Schuldgefühle getötet oder zer­treten werden, da keine Bestrafung damit verbunden ist. Den Wur­zeln, Gemüsen und Früchten, in denen allein das Wasserelement wirksam ist und die Vorherrschaft hat, während alle anderen vier Elemente in untätigem Zustand ruhen, wird der geringste Wert zu­erkannt. Karmisch betrachtet bildet also die Pflanzen- und Früchte-Nahrung jene Kost, die tatsächlich am wenigsten Schmerzen verur­sacht und uns mit der geringsten karmischen Schuld belastet, wenn wir uns von ihr ernähren. Wir sollten also mit dieser Art von Kost zufrieden sein, solange wir noch nicht ganz auf Nahrung verzichten und etwas zu uns nehmen können, das überhaupt keine Folgen nach sich zieht.

Laßt uns nun sehen, was uns das Essener Johannes-Evangelium in die­sem   Zusammenhang zu sagen hat:

Doch sie (die Jünger) antworteten: „Wohin, Meister, sollen wir denn gehen? Sind doch die Worte ewigen Lebens bei dir. Sage uns, wel­ches sind die Sünden, die wir meiden müssen, damit wir nie mehr krank werden?"

Jesus antwortete: „Es geschehe nach eurem Glauben." Und er setzte sich mitten unter sie und belehrte sie:

„Zu denen vor alter Zeit wurde gesagt: „Ehre deinen Himmelvater und deine Erdenmutter und halte ihre Gebote, damit du lange lebest auf dieser Erde." Und das nächste Gebot lautete: „Du sollst nicht töten." Gibt doch Gott allen das Leben, und was Gott gegeben, soll der Mensch nicht wegnehmen. Denn ich sage euch wahrlich, alles was auf Erden lebt, kommt von der einen Mutter. Wer daher tötet, tötet seinen Bruder. Und die Erdenmutter wird sich von ihm abwenden und wird ihm ihre belebenden Brüste entziehen. Und ihre En­gel werden ihn meiden, und Satan wird in seinem Leibe Wohnung nehmen. Und das Fleisch der erschlagenen Tiere wird in seinem Leibe zu seinem eigenen Grabe werden. Denn wahrlich sage ich euch, wer tötet, tötet sich selber, und wer das Fleisch ermordeter Tiere ißt, der ißt vom Leibe des Todes... Und ihr Tod wird zu sei­nem Tode. . . Denn der Sünde Lohn ist der Tod. Tötet nicht, noch eßt das Fleisch eurer unschuldigen Beute, damit ihr nicht Sklaven Satans werdet. Denn dies bedeutet den Pfad des Leidens, und er führt zum Tode. Tut vielmehr den Willen Gottes, damit seine Engel euch auf dem Weg des Lebens dienen mögen. Gehorchet daher den Wor­ten Gottes: „Siehe, ich habe euch jedes Gras auf Erden gegeben, das da Samen trägt, und jeden Baum, dessen Frucht Samen birgt; sie sollen euch zur Nahrung dienen. Und jedem Tier auf Erden und je­dem Vogel in den Lüften und allen, in denen der Atem des Lebens ist, gebe ich jedes grüne Kraut zur Nahrung. Auch die Milch aller Wesen, die auf Erden leben und sich bewegen, soll euch Nahrung sein; wie ihnen das grüne Kraut, so gebe ich euch ihre Milch. Doch Fleisch und das Blut, das ihm Leben gibt, sollt ihr nicht essen. . ." Nun sagte ein anderer (Schüler): „Moses, der Größte in Israel, er­laubte unseren Vorvätern, das Fleisch reiner Tiere zu essen, und ver­bot nur das Fleisch unreiner Tiere. Warum verbietest du uns denn das Fleisch aller Tiere? Welches dieser Gesetze kommt von Gott: Mose Gesetz oder dein Gesetz?"

Und Jesus sprach weiter: „Gott gebot euren Vorvätern: „Du sollst nicht töten." Doch ihre Herzen waren hart, und sie töteten. Da wün­schte Moses, daß sie mindest keine Menschen töten sollten, und er erlaubte ihnen, Tiere zu töten. Doch da wurden die Herzen eurer Vorväter noch härter, und sie töteten Menschen ebenso wie Tiere. Ich aber sage euch: Tötet weder Menschen noch Tiere, ja nicht ein­mal die Nahrung, die ihr in euren Mund führt. Denn eßt ihr leben­de Nahrung, so wird sie euch beleben; doch tötet ihr eure Nahrung, so wird die tote Nahrung auch euch töten. Denn Leben kommt nur vom Leben, und vom Tod kommt immer nur Tod. Denn alles, was eure Nahrung tötet, tötet auch eure Leiber. Und alles, was eure Lei­ber tötet, tötet auch eure Seelen. Und eure Leiber werden, was eure Nahrung ist; gleich wie euer Geist wird, was eure Gedanken sind... So eßt immer vom Tische Gottes: die Früchte der Bäume, die Kör­ner und Kräuter der Felder, die Milch der Tiere und den Honig der Biene. Denn alles, was darüber hinaus geht, ist des Satans, und es führt über Sünden und Krankheiten zum Tode. Die Nahrung dage­gen, die ihr von der reichen Tafel Gottes eßt, gibt eurem Leibe Kraft und Jugend, und Krankheit wird euch fernbleiben..."

 

 

Vihar oder soziales Verhalten

 

Eine weitere Aufgabe der Heiligen ist, uns zu Menschen zu machen. Ihre erste und wichtigste Mission ist es, den Menschen das uneinge­schränkte Anrecht auf das höchste Wissen über die Seele und All-Seele zu verleihen. Die Heiligen weisen den Sucher an, die völlige Reinheit von Körper, Gemüt und Verstand anzustreben, was ihn erst zu einem vollständigen und gesunden Menschen macht, bevor er sich daran wagen kann, den Gordischen Knoten zwischen Körper und Geist zu lösen. Ein verletzter und verstümmelter Mensch kann weder sich selbst noch Gott erkennen. Welchen Grundsätzen soll denn nun der Strebende sein Handeln unterordnen? Das ist die wichtigste und doch am wenigsten beachtete Frage, die meist gedan­kenlos übergangen wird. Die dürftigen Informationen, die uns im allgemeinen zugänglich sind, verdanken wir entweder geistigen Ge­meinschaften oder verstreuten Hinweisen religiöser Menschen oder dem Studium religiöser Bücher.

Die meisten Menschen bemühen sich jedoch nicht einmal auf der Verstandesebene, ihrem Leben eine feste Richtung zu geben oder es einem Glaubensbekenntnis unter­zuordnen. Sie haben nie genug Zeit, sich dieser Frage zuzuwenden. Vielleicht hat religiöse Engstirnigkeit oder Furcht der Priesterschaft nicht erlaubt, die Aufmerksamkeit der Massen diesem Problem zu­zuwenden. Bei dem weit verbreiteten Materialismus mögen sie es als hoffnungslose Aufgabe empfunden haben, Ernährungsgebote auf­zustellen. Doch trotz alldem gibt es einige Menschen, die ohne Vor­urteile sind und die Literatur des Ostens unvoreingenommen stu­dieren. Doch durch die besondere Ausdrucksweise, die ihnen gänz­lich fremd ist, sehen sie sich dabei vielen Schwierigkeiten gegenüber­gestellt. Die Worte sind entweder in sich nicht deutlich genug oder geben das, was der Verfasser sagen wollte, nur ungenau wieder. Die alten Weisen — die Rishis und Munis von einst — haben die Frage des menschlichen Lebens gründlich durchdacht. Sie haben seine verschiedenen Aspekte erschöpfend untersucht, um einen ver­nünftigen Lehrplan und Übungsweg zu entwickeln, der dem Men­schen auf seiner Suche nach der Vollendung hilft. Auf diese Weise wurde eine zufriedenstellende Richtlinie umfassender Zivilisation oder Neugestaltung ausgearbeitet, die das Wissen um das Selbst oder die Seele und das Erreichen der höchsten Wirklichkeit — der großen Wahrheit, — die allem zugrunde liegt, — umschloß. Sie begannen mit der planmäßigen Erforschung der Gunas (Eigenschaften) — dem Rückgrat und der Urquelle aller karmischen Aktivität - von denen jede Bewegung des Gemüts ausgeht. Danach zergliederten sie die Gunas und teilten sie in drei ganz unterschiedliche Gruppen ein:

1) Satogun: Die höchste Handlungsweise. Man kann sie als ein rei­nes Leben in geistiger Ausgeglichenheit beschreiben.

2) Rajogun: So wird der Mittelweg des Handelns genannt. Eine ge­schäftsmäßige Haltung des Gebens und Nehmens.

3) Tamogun: Die niedrigste Handlungsweise, die allein auf selbst­süchtige Ziele gerichtet ist und keinerlei Gedanken an andere kennt.

 

Mit ein paar Beispielen kann man das Thema leicht verstehen:

a) Bedenken wir zum Beispiel die Frage des Dienens und Helfens:

1) "X" hat es sich zum Grundsatz seines Lebens gemacht, anderen zu dienen, aber für das, was er getan hat, erwartet er keinerlei Hilfe oder Dienst als Gegenleistung von anderen. Seine Lebens­regel lautet: Tue Gutes und erwarte keinen Dank.

2) "Y" dient und hilft und erwartet die gleiche Gegenleistung. Das kann man mit einem Austausch von Dienstleistungen verglei­chen, wie er im Geschäftsleben nach dem Grundsatz des Gebens und Nehmens oder des Tausches üblich ist: behandle andere so, wie du auch behandelt werden möchtest.

3) "Z" dient anderen nicht, noch hilft er ihnen, sondern glaubt vielmehr, daß er ein Recht auf Hilfe und Dienst von anderen hat, was ihn aber zu keinerlei Gegengabe verpflichtet.

 

b) Betrachten wir nun die Frage der Nächstenliebe:

1) "X" gibt und vergißt und möchte dafür keinerlei Gegengabe — denn sein Grundsatz lautet, den Armen und Hilfsbedürftigen selbstlos zu dienen.

2) "Y" gibt und erwartet für die guten Dienste, die er anderen er­wiesen hat, irgendeine Art von Gegenleistung.

3) "Z" erwartet lediglich Hilfe und Dienst, wenn er in Not ist, doch er gibt dafür nie etwas zurück, selbst wenn ein anderer sich direkt vor seinen Augen in größter Not befindet.

 

Wir sehen also, daß das Verhalten von "X" am besten und Satogun ist. Seine guten Taten zeichnen ihn vor den Augen aller Menschen der Welt und vor seinem Schöpfer aus. "Y" erntet keinen Ruhm für seine guten Taten, da sie durch sein geschäftsmäßiges Geben und Nehmen fast schon beglichen sind, so daß nichts mehr zu seinen Gunsten verbleibt. "Z" andererseits belädt sich mit einer Bürde oder Last, zu deren Begleichung er sich den karmischen Auswirkungen ausliefert, die sich unter Umständen von Generation zu Generation ohne Ende hinziehen.

Die Meister raten uns also, den in (1) geschilderten Weg zu gehen und auf keinen Fall den Weg (2) zu unterschreiten, wenn das über­haupt nötig sein sollte. Glücklicherweise kann jeder von uns selbst seinen Lebensweg bestimmen und über seine Handlungsweise ent­scheiden. Soviel zum Verhalten des Menschen als Mitglied der Ge­sellschaft, der er angehört. Das anzustreben, ist jedoch kein Ziel an sich, sondern nur ein Mittel zum Ziel — dem Ziel, neh-karma zu werden - das heißt, Karmas nicht nur ohne Bindung oder Verlangen nach ihren Früchten, sondern als ein swadharm (Tun im Nichtstun) zu vollbringen und dann weiterzugehen, um das Selbst im Innern zu entwickeln und die Quelle aller Liebe, allen Lebens und allen Lichts zu erfahren, in der wir wirklich leben und unser wahres Sein haben, wie ein Fisch, der im Wasser lebt und doch nicht weiß, was Wasser ist.

 

 

Anhang II

 

Das Leben der Selbsthingabe

 

Um auf dem spirituellen Pfad fortzuschreiten, ist es von höchster Bedeutung, die Frage von Ahar oder des persönlichen Verhaltens zu beantworten. Für den Wahrheitssucher stellen der liebende Glaube und die völlige Selbsthingabe an den Willen Gottes oder seines Er­wählten die grundlegenden Prinzipien seines Lebens dar. Die Weisen und die Schriften sagen uns gleicherweise, daß wir, wäh­rend wir in der Welt leben, uns nicht so verhalten sollten, als ob wir von der Welt seien, sondern eine Haltung der Selbstverleugnung oder des völligen Losgelöstseins von der Welt und allem, was welt­lich ist, beibehalten sollten. Wir sollten also leben wie die Lotospflanze, die unten im Schlamm verwurzelt ist, doch ihre Blüte weit darüber ins Licht der Sonne erhebt, die über dem dunklen Wasser erstrahlt; oder wie der königliche Schwan (ein Wasservogel) der ma­jestätisch über das Wasser gleitet, das sein natürlicher Lebensraum ist und doch unbenetzt darüber hinwegfliegen kann, wenn er so will oder es ihm geboten scheint.

Diese Art unbeteiligter Absonderung oder Loslösung von der Um­gebung und allem, was dem niederen Selbst angehört (Körper, Ge­müt und mentale Welt), kommt nur zustande, wenn man die Ichheit oder den persönlichen Willen im Willen Gottes oder dem seines Gurus, des Gott-Menschen, auflöst, denn dann handelt man wie ein Schauspieler, der seine Rolle schweigend spielt und nach dem Willen des Drahtziehers hinter der Bühne tanzt. Dieser Zustand, der uns bitten läßt: „Nicht mein Wille, sondern Dein Wille möge ge­schehen, o Herr!" wird völlige Selbsthingabe genannt. Diese Haltung hilft uns in hohem Maß, neh-karma zu werden. Ob­wohl wir augenscheinlich dies oder jenes bewirken, tun wir doch nichts mehr aus uns selbst, sondern führen nur den Willen Gott-Vaters oder des Göttlichen Gebieters aus.

Selbsthingabe heißt also, daß man alles, was man hat, Gott oder sei­nem Erwählten, dem Lehrer (Gott im Menschen) übergibt; ein­schließlich Körper, Besitz und inneres Selbst (das denkende Gemüt). Das bedeutet für das Individuum jedoch nicht den Zustand völligen Bankrotts oder der Handlungsunfähigkeit, wie mancher wohl glauben wird. Der allmächtige Gott und sein Erwählter sind die Spender aller Dinge, und sie benötigen jene Gaben nicht, die sie ihren Kindern um­sonst und im Überfluß zu ihrem rechtmäßigen Gebrauch und Wohlergehen gewährt haben. Doch aus Unwissenheit betrachten wir sie als unser Eigen und nehmen eine Haltung aggressiven Besitz­strebens ein und versuchen sie mit allen Mitteln, ob recht oder un­recht, zu erlangen und wachen dann voll Eifersucht mit allen Kräften darüber. An diese Gaben gebunden, halten wir an ihnen fest und ver­gessen den Großen Spender. Und dadurch schleicht sich unmerk­lich die große Täuschung in uns ein, die Grundursache all unseres Leids. All die Dinge, die wir erlangt haben, gehören uns zweifellos, doch sie wurden uns als heiliges Gut zu unserem zeitweiligen Ge­brauch gegeben, damit wir sie in Übereinstimmung mit dem Willen des Spenders nutzen, der zweifellos vollkommen, makellos rein und fehlerlos ist. Doch da wir im Bereich der Materie leben, können wir trotz all unserer Weltklugheit nicht vermeiden, daß uns die groben Eindrücke anziehen und wir ihnen erlauben, sich ungehindert Tag für Tag anzuhäufen, bis sie einen granitenen Wall um uns bilden und wir dadurch unser klares Wahrnehmungsvermögen verlieren, der Wirklichkeit gegenüber blind werden und dazu gelangen, das Selbst in uns mit pinda und dem pindi-manas (dem Körper und dem physischen Gemüt) zu identifizieren. Diese rauchgeschwärzten und mit Scheuklappen versehenen Gläser trüben unsere Sicht so sehr, daß wir die weiße Strahlung der Wirklichkeit nicht mehr erkennen können, die uns nun durch einen Dom vielfarbenen Glases verborgen ist.

Die Heiligen berichten uns von der Wirklichkeit und helfen uns, die täuschenden Gläser zu zerbrechen, die Scheuklappen, die unsere Sicht begrenzen, herunterzureißen und die Welt, die sich uns zeigt, als herrliches Gotteswerk zu erkennen. Sie sagen uns, daß die Welt, die wir sehen, eine Widerspiegelung Gottes ist und Gott in ihr wohnt. Da dies so ist, müssen wir Körper, Gemüt und Besitz, die Gaben Gottes sind, so sauber und rein erhalten, wie sie uns gegeben wurden und sie in seinen Dienst und im Dienst für seine Schöpfung weise nutzen, wie es seinem Göttlichen Willen entspricht, der bereits ins Grundmuster unseres Seins gewirkt ist (oder wie könnten wir sonst bestehen?) Doch durch eine fortwährende Empfindung des Getrenntseins von der Wirklichkeit haben wir Ihn im mächtigen Wirbel der Welt aus den Augen verloren und auch unseren Halt an den lebendigen Rettungsleinen im Innern: dem Licht und dem Ton Gottes, verloren.

Die Heiligen gebieten uns, den Vorgang des Nachaußenwendens zur inneren Wirklichkeit hin umzukehren, indem wir die wahren Werte des Lebens verstehen lernen; denn das "Leben" ist wertvoller als das Fleisch (der Körper); und das Fleisch ist mehr wert als das Gewand (weltlicher Besitz), mit dem wir unser geringes Selbst in Form von Körper und Gemüt bedecken, die wir fälschlich als unser Eigen ansehen und bedenkenlos und selbstsüch­tig für Sinnesfreuden und irdische Zurschaustellung verwenden. Wenn wir uns einmal über das Körperbewußtsein erhoben haben, wissen wir, was wir sind und wie wir unsere Gaben im Dienst an Gott und Gottes Schöpfung am besten nutzen können. Und wir werden sie nicht länger zu sündhaften Handlungen, die aus sinn­lichem Verlangen und dem Wunsch nach Selbsterhöhung geboren wurden, mißbrauchen und auch nicht als Mittel zu weltlicher Macht oder für persönlichen Nutzen und Gewinn einsetzen. Das war die große Lehre, die der Weise Ashtavakra von Radscha Janaka vernahm, nachdem er ihm eine tatsächliche Erfahrung der Wirklich­keit gegeben hatte. Wir müssen in der Tat nichts anderes aufgeben als die egoistische Gebundenheit an die Schatzkammer des Herzens; und dadurch werden wir nicht ärmer, sondern lenken weit mehr der liebevollen Gaben des Höchsten Vaters auf uns, da er die Weisheit seines Kindes erkennt, das einst war wie der verlorene Sohn, doch nun klug geworden ist. Das wird Hingabe des niederen Selbst mit allem, was zu ihm gehört — Körper, Gemüt und Besitz — genannt, wie es dem Göttlichen Willen entspricht, um das Höhere Selbst zu verwirklichen und neh-karma zu werden und das wahre Ziel unseres Lebens zu erreichen.

Nun ein Beispiel zum besseren Verständnis: Aus der Zeit von Guru Arjan, dem fünften Guru nach Nanak, wird uns von einem vorbild­lichen Sikh (Schüler) namens Bhai Bhikari berichtet. Einst bat ein Schüler dem Guru, ihn mit einem Gurbhakta oder ergebenen Schüler bekannt zu machen. Der Guru sandte ihn mit einem Brief zu Bhai Bhikari und bat ihn, ein paar Tage bei Bhai Sahib zu bleiben. Bhikari empfing seinen Glaubensbruder sehr herzlich und bewirtete ihn, so gut er nur konnte. An dem Tag, als er ankam, nähte sein Gast­geber ruhig an einem Stück Stoff, das wie ein Leichentuch aussah. Nachdem der Schüler ein paar glückliche Tage in seiner Gesellschaft verbracht hatte, wollte er wieder heimkehren, aber Bhikari bat ihn, noch ein wenig zu bleiben und der Hochzeit seines Sohnes beizu­wohnen, die sie bald feiern würden. Da sein Gastgeber ihn so liebe­voll bedrängte, stimmte er zu. Der Hochzeitstag nahte. Im Haus wurde gefeiert, doch Bhikari blieb so ruhig wie immer. Wie alle anderen, begleitete der Schüler den Hochzeitsumzug, nahm an den fröhlichen Trauungsfeierlichkeiten teil und ging mit den Brautleu­ten zum Hause Bhikaris zurück. Doch wie es das grausame Geschick befahl, wurde am nächsten Tag Bhikaris einziger Sohn, der frisch vermählte junge Mann, ganz unvermittelt krank und starb. Bhikari nahm ruhig das Tuch heraus, das er vor ein paar Tagen für diesen Zweck genäht hatte, hüllte den toten Körper seines Sohnes darin ein, trug ihn zum Verbrennungsplatz und vollzog das letzte Ritual mit seinem gewöhnlichen Gleichmut. Der Schüler war sprachlos vor Staunen über Bhikaris unerschütterlichen Gleichmut, der von all diesen Wechselfällen des Lebens unbeeinträchtigt blieb, denn er bemerkte in Bhikari nicht eine Spur von Freude oder Kummer, son­dern völlige Ergebenheit in den Willen des Herrn, den er von Anfang an erkannt und befolgt hatte, ohne persönliche Gefühle oder Ge­mütsbewegungen zur Schau zu stellen.

Guru Nanak betete immer: „O Herr! Tue nicht das, was ich erbitte, sondern lasse Deinen Willen geschehen."

Ähnlich bezeichnete sich Sant Kabir häufig als einen Hund namens Moti und schrieb all seine Taten seinem Herrn und Gott zu, der die Leine in den Händen hielt und ihn zog, wohin Er wollte. Christus betete immer: ,,Dein Wille geschehe im Himmel wie auch auf Erden." „Dein Wille geschehe" war auch stets das Schlußwort der täglichen Gebete der Hindu-Mönche, Moslem-Derwische und christlichen Priester, denen die Worte „Tatha Astu" oder „Amen" folgten, die „Möge es so sein" bedeuten.

Aus Vorstehendem sollte deutlich zu erkennen sein, wie sehr wirk­lich aufrichtigen Schülern des Meisters und auch dem Meister selbst bewußt ist, daß sie keine eigene, individuelle Existenz haben, die vom Gottmenschen oder von Gott getrennt wäre. Solche Menschen lesen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wie in einem offenen Buch und handeln stets in Übereinstimmung mit dem Göttlichen Plan. Das führt zu dem unweigerlichen Schluß, daß Gott jenen Seelen hilft, die seinen Willen befolgen. Doch das gilt nur für einen Menschen mit starkem Glauben und ist kein Weg zur Errettung, den der gewöhnliche Mensch beschreiten kann, der immer auf der Sinnesebene lebt, denn er wird durch das Gesetz beherrscht, daß Gott jenen hilft, die sich selbst helfen. Jede Art von Selbsthingabe bringt rasch ihre eigene Frucht, die der Tiefe des Glaubens entspricht und der Ebene gemäß ist, auf der sie erfolgt.

Wenn man auf dem Pfad fortschreitet, lernt man durch allmähliche Erfahrung ihren vollen Wert kennen, bis man eine Stufe erreicht, wo man die Ichheit oder das Ego gänzlich im Göttlichen Willen verliert, selbst neh-karma wird und somit die Krone und den erhabensten Zustand der menschlichen Existenz verwirklicht. Der liebende Glaube an die Gott innewohnende Güte und die völlige Selbsthingabe an den Göttlichen Willen führen uns also auf die Erhabene Straße der Spi­ritualität, ohne daß der Strebende länger größere Mühen auf sich nehmen muß. Diese zwei Punkte bilden das geheime "Sesam öffne dich" und den magischen Schlüssel, der die Pforten zum Reich Gottes, das im Innern des Tempels des menschlichen Körpers liegt, der uns allen eigen ist, weit aufstößt. Alle Schriften künden: „Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?"

 

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KARMA

 

Ein Brief von Meister Sawan Singh

 

In der Schöpfung sind der höchste Schöpfer und die individuelle Seele durch den Tonstrom miteinander verbunden. Aber Kal (die negative Kraft), der auch eine Schöpfung des Höchsten Wesens ist, trennt die einzelne Seele von diesem Strom, indem er als Gemüt und Form dazwischentritt.

Daher fühlt sich die einzelne Seele getrennt, doch nicht so der Schöpfer. Es gibt drei Arten von Gemüt, und diesen entsprechen drei Arten von Formen. In Trikuti (eine Stufe der Kausalebene) be­deckt Nijman (das innerste Gemüt) oder Brahm (das universale Gemüt) den Geist oder die Seele. Die Umhüllung der Seele besteht hier aus sehr reiner Maya, so rein, daß die Mehrzahl der Sucher den Geist nicht getrennt von Maya (Gemütsstoff) erkennt und daher Brahm als alles durchdringend betrachtet. Weiter unten in Sahasdal Kanwal (Astralebene) erhalten die Formen von Trikuti weitere Um­hüllungen aus Gemüt und Form, die grobstofflicher als die zuerst erwähnten sind. Die astrale Form wird hier von Andi Man (dem astralen Gemüt) beherrscht.

In dieser Zone gibt es Höllen, Himmel und zahlreiche andere Lokas (Regionen). Die Neigungen dieses Gemüts sind erhebend und nach innen gerichtet. Es verhält sich wie ein weiser Feind (der versucht, uns hier zu halten). Weiter unten in Pind (physische Form) erhält die Astralform eine weitere Umhüllung grobstofflichen Materials, mit dem wir alle vertraut sind.

Das Gemüt, das diese Form beherrscht, wird Pindiman (physisches Gemüt oder Verstand) genannt. Seine Neigungen richten sich nach außen und zersplittern sich, und es ist sehr schwer zu beherrschen. Nun kann ein Körper, der von Gemüt und Seele bewegt wird, nicht anders, als Karma (Ursachen) zu schaffen; und das karmische Gesetz — "Wie du säst, so wirst du ernten" — wirkt unaufhörlich weiter, und die Rechnung wird mit der Zeit verwickelt. Je mehr wir bewir­ken, um so größer die Verstrickung, und wir sind dann wie ein Vogel, der in den Maschen eines Netzes flattert.

Kal hat die Fallstricke der Formen und Gemüter so listig gelegt, daß es beinahe unmöglich ist, in diesen Gemütern und Formen ihren Auswirkungen zu entkommen. Es spielt keine Rolle, wie gut oder fromm wir handeln, unsere Taten können uns aus diesen Regionen nicht herausführen. Krishna sagte: „Gute Handlungen sind ebenso bindend wie schlechte. Gute Handlungen kann man mit Fesseln aus Gold und schlechte mit Fesseln aus Eisen vergleichen; beide halten uns gleichermaßen gebunden." Ein Entkommen ist nur durch den Tonstrom möglich, da er die Grundsubstanz ist, aus der die Gemüter bestehen.

Das Gemüt wird nur ruhig und untätig, wenn die Aufmerksamkeit den Tonstrom ergreift und ihm folgt. Zu jeder anderen Zeit, wenn die Aufmerksamkeit nicht auf den Tonstrom gerichtet ist, gewinnt das Gemüt die Oberhand. Während der langen und unabsehbaren Zeit, seit sich der Geist von dem Meer (aus dem er stammt) getrennt hat und sich mit den Gemütern und Körpern verbunden hat, wurde nicht nur der Weg nach oben versperrt, sondern auch der Geist so verwirrt, verstrickt und entkräftet, daß er die Erinnerung an seine Heimat ganz verloren hat und damit zufrieden ist, in dieser erbärmlichen mate­riellen Welt ein erbärmliches Leben zu führen.

Nun gibt es zwei Standpunkte, von denen man die Schöpfung be­trachten kann: den des Schöpfers und den unseren — oder mit an­deren Worten: den vom oberen und den vom unteren Ende. Von oben sieht es aus, als sei der Schöpfer alles in allem. Er ist der einzig Handelnde, und das Individuum gleicht einer Puppe, die vom Pup­penspieler nach rechts oder links gezogen wird. Der einzelne scheint keinen freien Willen zu besitzen und daher auch keine Last der Ver­antwortung. Es ist Sein (Gottes) Spiel. Da gibt es kein Warum und Wofür. Alle Heiligen beschreiben die Schöpfung, wenn sie von oben auf sie blicken, als Seine Offenbarung. Sie sehen Ihn überall wirken. Wenn wir die Sache nun von unten oder aus der Sicht des einzelnen be­trachten, begegnet uns Vielfalt im Gegensatz zur Einheit. Jeder scheint durch seinen Willen zu wirken. Und er wird von an­deren beeinflußt und wirkt selbst auf andere ein, mit denen er in Verbindung kommt. Das Individuum ist der Handelnde und daher für seine Taten und deren Folgen verantwortlich. All seine Handlun­gen werden in Gemüt und Gedächtnis aufgezeichnet und rufen Zu­neigungen und Abneigungen hervor, die ihn an die materiellen, astralen oder mentalen Bereiche gebunden halten, wie es seinen frü­heren Handlungen im Kreislauf der Seelen-wanderung entspricht. In diesen Regionen kann der einzelne nicht anders als handeln; und wenn er etwas getan hat, kann er den Auswirkungen dieser Tat nicht entgehen. Der einzelne ist der Handelnde und muß daher die Folgen seiner Taten auf sich nehmen.

Wie oben gesagt, unterscheiden sich die Beobachtungen durch ihren unterschiedlichen Standpunkt. Beide sind richtig. Das in grobe ma­terielle Gestalt gekleidete Individuum sieht nur die äußeren körper­lichen Formen. Sein Blick dringt nicht tiefer. Wenn er sich erheben würde, sähe derselbe Mensch von Sahasdal Kanwal aus, wie das Gemüt alle Formen bewegt. Die Form ist nur zweitrangig, das Ge­müt ist die bewegende Kraft, die hinter allem steht. Das gleiche In­dividuum wird von Daswan Dwar aus den Geistesstrom überall wir­ken sehen und erkennen, wie das Gemüt seine Kraft von der Seele erhält.

Von Sach Khand aus gesehen, kann man die ganze Schöpfung mit Blasen vergleichen, die in einem spirituellen Meer entstehen und wieder vergehen. Der Mensch besitzt einen Verstand und vollbringt jede Handlung wissentlich. Es ist daher seine Pflicht, einen Ausweg aus dieser Verstrickung zu finden. Er muß gegen das Gemüt kämp­fen, um seinen Geist zu erheben, denn er lebt durch den Kampf. Und wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Er kann nicht sagen, daß das nicht ein Teil seiner Pflicht sei.

Nun teilt man die Karmas in drei Gruppen ein: Kriyaman oder neue Handlungen; Pralabdh oder Schicksal und Sanchit, der Vorrat (Handlungen, die noch nicht Frucht getragen haben). Vergleicht es mit der Lage eines Bauern: er bereitet sein Land für die Saat und hat die freie Wahl, zu säen, was immer er will. Nehmen wir an, er ent­scheidet sich für Weizen und sät ihn. Das Getreide reift heran, und er erntet es. Einen Teil davon behält er für seinen Verbrauch im kom­menden Jahr zurück, und den Überschuß speichert er. Während des nächsten Jahres wird er von Weizen leben müssen, denn er hat nichts anderes.

Wenn er nun etwas anderes ernten möchte — sagen wir einmal Mais —, kann er ihn im nächsten Jahr säen. Wie beim Weizen behält er etwas für seinen Verbrauch und bewahrt den Überschuß im Speicher auf. Jahr für Jahr lebt er von dem, was er im vergangenen Jahr zurück­behalten hat und vergrößert seine Reserve im Speicher, um sie bei einer Mißernte oder in Notzeiten in Anspruch zu nehmen. Ihr seht, daß er von dem lebt und zu leben hofft, was er selbst sät und erntet. Gleicherweise bestimmt alles, was wir in diesem Leben tun, das Schicksal unseres nächsten Lebens; und Kal bewahrt etwas davon für den Fall auf, daß unser Karma durch einen Zufall zur Neige gehen sollte (natürlich ist die Wahrscheinlichkeit dafür gleich Null). Ohne Karma kann Kal einen Geist nicht im Körper gebunden halten, und ohne Körper kann man kein Karma bewirken. Es steht Kal frei, dem Schicksal aus dem Vorrat etwas hinzuzufügen oder dem Schicksal etwas für den Vorrat abzuziehen. Wie der Bauer, der sein Land für die nächste Saat bereitet, von dem lebt, was er das letzte Jahr geerntet hat und auf seinen Vorrat vertraut, handeln wir gemäß unseres Schicksals, das uns keine Wahl läßt. Aber wir haben die Wahl, für unser zukünftiges Wohlergehen nach unserem Belie­ben etwas Neues zu bewirken. Und wir haben eine Rücklage, einen Vorrat aus vergangenen Leben, von dem wir nichts wissen.

Wir wir­ken daher gegenwärtig auf zweifache Weise: a) Was unser Schicksal betrifft, sind wir hilflos; doch b) bei neuen Handlungen haben wir die freie Wahl, was wir für die Zukunft säen wollen. Es ist nicht ein­fach für den Einzelnen, allein mit dem Verstand zwischen diesen bei­den Arten von Handlungen zu unterscheiden. Aber man kann fol­gende grobe Regel aufstellen: das, was trotz unserer Bemühungen und ohne unser Dazutun geschieht, ist Schicksal. Doch jene, deren Aufmerksamkeit konzentriert ist und die Zugang nach innen haben, können ihr Schicksal leicht lesen. Es ist ein offenes Buch für sie.

Im physischen Körper gehen die Handlungen vom Herzzentrum aus. Solange das Gemüt hier gesammelt ist (beim gewöhnlichen Menschen ist das Herz das Zentrum der Gemütstätigkeit), wird der Mensch von Gemütsbewegungen beeinflußt. Er nimmt die Emp­findungen von Freude und Trauer wahr, da das Gemüt den Körper von diesem Zentrum aus bewegt. Wenn der Geist durch Konzentra­tion zum Augenbrennpunkt erhoben wurde, oder mit anderen Worten, wenn die Aufmerksamkeit ihren Sitz oder ihr Zentrum vom Herz zu den Augen verlagert hat, dann werden die durch äußere Einflüsse hervorgerufenen Gefühle, die sich auf den physischen Körper auswirken, nur mehr unmerklich wahrgenommen. Die Freuden der Welt werden einen solchen Menschen nicht erhe­ben und ihre Sorgen werden ihn nicht bedrücken. Die Schicksals­handlungen sind im achtblättrigen Lotos in Anda (Astralebene) über den Augen gespeichert. Solange man dieses Zentrum nicht überschritten hat, empfindet man ihren zwingenden Einfluß. Wenn man dieses Zentrum überschritten hat und die Form des Meisters erblickt (denn diese Form wohnt dort), wird der Einfluß der Schick­salshandlungen nur mehr dem Namen nach wahrgenommen. Das Gemüt ist dann stark geworden und hat die Kraft, sie ohne Anstren­gung zu ertragen. Aber das Schicksal kann nicht ausgelöscht oder geändert werden; man muß es ertragen. Hat der Pfeil den Bogen verlassen, muß er sein Ziel finden. Die Handlungen, die sich noch nicht ausgewirkt haben, sind am höchsten Punkt von Trikuti (Kausalebene) gespeichert; und nur wenn eine Seele das dritte Gemüt oder Trikuti überschritten hat, kann man sagen, daß sie von allem Karma frei ist. Unter dieser Ebene leidet der Geist durch die üblen Auswirkungen des Karmas. Allen Handlungen liegt ein Motiv zugrunde, und dieser Beweg­grund ist bindend. Es ist nicht leicht, sich eine Handlung vorzu­stellen, die ohne Beweggrund ausgeführt wird. Das Gemüt wirkt be­wußt oder unbewußt, und es ist lächerlich, von Karma (Handlung) ohne Gegenkarma (Rückwirkungen) zu sprechen. Es gibt kein Ent­kommen vor dem Gegenkarma (den Rückwirkungen). Wie gut un­sere Handlungen auch sein mögen, ihren Folgen können wir nicht entrinnen. Nächstenliebe, Opfer oder Pilgerfahrten müssen belohnt werden, und die Seele, die sie bewirkt, muß den Lohn in der einen oder anderen Verkörperung empfangen.

Der Mensch wird mit einer Lebensspanne wiedergeboren oder ver­körpert, die durch die karmischen Auswirkungen unserer vergange­nen Leben bestimmt ist — "nicht mehr und nicht weniger". Christus sagt: „Deine Tage sind gezählt." Die Länge unseres Lebens ist durch die Zahl der uns zugemessenen Atemzüge bestimmt. Ihr rechter Ge­brauch oder Mißbrauch kann unser Leben auf Erden verlängern oder verkürzen. Normalerweise atmet man etwa 14 oder 15 mal in der Minute, aber in leidenschaftlichen Augenblicken atmet man 24 bis 26 mal in der Minute. Auf diese Weise verbraucht man die einem zugemessene Zahl an Atemzügen in einer kürzeren Zeit. Führt man jedoch ein enthaltsames Leben und widmet den spirituellen Übun­gen Zeit, verringert sich die Anzahl der benötigten Atemzüge auf vier bis sechs pro Minute. Auf diese Weise wird das Leben verlängert. Die Yogis kontrollieren ihren Atem durch Kumbhak (eine Hatha-Yoga-Übung) monate- und manchmal jahrelang und verlängern dadurch ihr Leben um Hunderte von Jahren.

Doch man kann dem Karma durch den Schutz entrinnen, den ei­nem die Heiligen gewähren. Sie selbst sind ohne Karma. Ihre Hand­lungen binden sie nicht, denn ihr Geist wirkt von Daswan Dwar aus, einem Zentrum über den drei Bereichen des Gemüts und der Form, wie eben beschrieben. Sie zeigen uns den Ausweg. Sie sagen, daß wir alle neuen Handlungen im Namen des Meisters ausführen sollen, wobei der Einzelne in der Eigenschaft eines Beauf­tragten handelt. Die neuen, in diesem Geist bewirkten Handlungen werden uns nicht mehr binden. Und die Auswirkungen der Hand­lungen, die unser Schicksal bestimmten, werden zur Zeit unseres Todes abgetragen sein. Die Wirkungen der aufgespeicherten Handlungen nehmen die Heiligen teilweise auf sich, und zum Teil muß sie der Ergebene erdulden, so wie der Heilige es für richtig hält.

Die Heiligen verbinden die getrennte Seele mit dem Tonstrom, un­serem Urgrund, und wenn ihn die Seele ergreift, sich erhebt und sich von den Einflüssen des Gemüts und der Materie befreit, wird sie immer stärker. Je mehr sich der Einzelne auf diese Weise bemüht, um so leichter ist der Pfad für ihn. Anderenfalls wird sein Weg länger. Aber die Heiligen sind verpflichtet, ihn hindurchzubringen, wenn sie ihn einmal initiiert haben. Das Hören auf den Tonstrom schnei­det die Wurzeln des Karmas ab.

Der Strom wirkt auf den Geist wie ein Magnet. Er zieht den Geist an sich, und wenn er nicht vom Rost des Gemüts und der Materie be­deckt wäre, stiege er auf wie ein Geschoß. Der Rost der Bindungen und Eindrücke wird durch Wiederholung beseitigt. Die Wiederho­lung von Gedanken über die innere Reise (Simran) ersetzt unsere alltäglichen Gedanken, und anstatt im Äußeren umherzuwandern, beginnt das Gemüt im Inneren Ruhe und Frieden zu finden; und wenn es ins Innere tritt, folgt ihm der Geist, und wenn er nach innen gelangt, zieht ihn der Tonstrom wiederum nach oben. Und wenn er Trikuti überschritten hat (was nur gelingt, wenn alle karmischen Rechnungen beglichen sind), dann kehrt die Seele nie wieder in den Kreislauf der Seelenwanderung zurück. Sie steigt auf, um in ihrem Meer zu verschmelzen.

 

\

 

 

 

DAS GESETZ DES  KARMA

 

Handschriftliche Notizen von Sant Kirpal Singh

 

Auf den folgenden sechs Seiten sind fotomechanische Wiedergaben von sechs Seiten mit handschriftlichen Notizen des Meisters zum Thema Karma abgedruckt. Es handelt sich dabei vermutlich um vorbereitende Anmerkungen zu einem Vortrag über dieses Thema. Der Meister hat sich oft zu Themen eines zu haltenden Vortrages (besonders zu Themen, über die er in englischer Sprache reden mußte) Notizen auf kleinen Zetteln ausgearbeitet, die er dann während des Vortrages in der Hand hielt, auf die er aber augenscheinlich gar nicht oder kaum geschaut hat. Nach den Seiten mit den handschriftlichen Texten folgt die Reinschrift ins Englische sowie die deutsche Übersetzung.

 

 

law of karma 1 maillaw of karma 2 mail

 

law of karma 3 maillaw of karma 4 mail

 

law of karma 5  mail jpglaw of karma 6 mail jpg

 

 

 

I  Law of Karma               Page 1

 

Inserted text:

You have great fortune you got man

body, the .... to God-Power

cleaned from man body - It is grant as result of good actions of the past

 

Law of Karam  – As you saw so shall you reap

   Each thought, each word,

and each deed has to be

accounted and compensated

for in nature -

   Every cause has an effect

and every action brings about

a reaction - Uproot the cause

and the effect disappears.

   This has been done by the

Masters who have transcended

these laws, but all others are

bound by the bonds of karma

which is the root cause of

physical existence -

   There are three kinds

of karmas:_                   -  URDU  -

(1) Sanchit (stored) karmas of  past

(2) Prarabdha – (fate or Destiny

                       from which none can escape)

(3) Kriyaman (ones Actions + deeds

                      in the present body)

 

man is free to do exactly as

 he pleases within certain limits

 

 -  URDU

 

what we reap in this life

the rest is transferred to Sanchit

 

cases as

   Small cause courts –

   High Courts .                                   Explain

   Priory council courts –

Karma is the Cause  of rebirth and

each birth is in turn followed by

death. Thus the cycle of enjoyment and

suffering -

            As you think so you become

Ignorance of law is no excuse

                    --------------

            Good and bad deeds are

fetters of gold or iron -  -Cycle of

birth + death goes on ( there is no escape) until one

               meets a master fortunately.

   At the time of initiation Master

begins the process of winding up

all karmas of the initiate –

He gives him a contact with   

 

I  Das Karmische Gesetz

 

Eingefügter Text:

Ihr habt großes Glück, daß ihr den menschlichen Körper bekommen habt, der der Gotteskraft am nächsten ist. Der reine menschliche Körper wurde uns als Ergebnis guter Handlungen in der Vergangenheit gegeben.

 

Das Karmische Gesetz – Wie du säst so wirst du ernten.

   Jeder Gedanke, jedes Wort
und jede Tat muß
in der Schöpfung
verantwortet und beglichen werden.

   Jede Ursache hat eine Wirkung

und jede Handlung bringt
eine Rückwirkung hervor. Beseitige die Ursache
und die Wirkung verschwindet.

   Das haben
die Meister erreicht, die diese Gesetze überwunden haben, doch alle anderen sind
an die Fesseln des Karmas gebunden,

das die Grundursache der
physischen Existenz ist.

   Es gibt drei Arten
von Karma:

   1. Sanchit (Vorrat) Gesamtheit der Karmas aus der Vergangenheit

   2. Prarabdha – (Schicksal oder Vorsehung, dem keiner entrinnen kann)

   3. Kriyaman (die Handlungen und Taten im gegenwärtigen Körper)

Der Mensch ist innerhalb bestimmter Grenzen frei,

genau das zu tun, was im gefällt

 

- URDU –

 

das ernten wir in diesem Leben

der Rest wird in das Sanchit Karma übertragen

 

Fälle wie

   Amtsgerichte

   Hohe Gerichte

   [den] Obersten Gerichtshof

Das Karma ist die Ursache der Wiedergeburt, und

auf jede Geburt folgt wiederum der
Tod. Das ist der Kreislauf von Freude und
Leid.

            Wie du denkst, so wirst du.

Unkenntnis des Gesetzes ist keine Entschuldigung.

                    --------------

            Gute und schlechte Taten sind
Fesseln aus Gold oder Eisen – Der Kreislauf von
Geburt und Tod geht weiter – es gibt kein Entkommen – bis man durch ein gutes Geschick einem Meister begegnet. Zur Zeit der Initiation beginnt der Meister den Prozeß der Abwicklung
allen Karmas des Initiierten.

            Er gibt ihm eine Verbindung mit

 

II  Law of Karma             Page 2

 

Sound current by practicing

which Sanchit karma is burnt

away.

            Then for Karyaman karmas

he prescribes diary to be maint-

ained. He is enjoined to lead

a clean life and weed out all

inperfections in him by self-

-introspection from day to day

Prarabdha Karma is not touched

for this is the cause of the physical

body which will vanish due to

interference with Natures Law - So

a very small remains to be

tolerated for the remaining years

of the disciples life -, but even

this is softened by the grace of the

Master – (A)

 

 

Then Nish Kama Karma = Karma performed

without any attachment to, or

desire for the fruit thereof.

    This is superior to all the forms

of karmas which are more or less

are the source of bondage, yet this

type helps a little to liberate one

from karmic bondage

 

   It is only karma born of desire

or karma that leads to bondage.

This is what Moses taught “Desire not”

Budha “Be desireless”

Tenth „– URDU –“  -desireless-ness.

The highest of all is to be ‘Neh-Karma’

i.e. doing karma in accordance with

the Divine Plan, as a conscious -

Co-worker with the Power of God.

   In brief the law of karma is

Nature’s stubborn and inexorable

law from which there is no

escape and there is no exception.

   “As you sow so shall you reap”

is the general rule for earth-life.

 

 

II  Das Karmische Gesetz

 

dem Ton-Strom, durch dessen Übung
das Sanchit-Karma verbrannt wird.


            Doch für das Kriyaman-Karma
schreibt er die Führung des Tagebuches vor.

Es wird uns geraten,
ein reines Leben zu führen und alle
Unvollkommenheiten in uns durch
die tägliche Selbstprüfung auszumerzen.

Das Pralabdha-Karma wird nicht berührt,

denn es ist die Ursache des physischen

Körpers, der sich durch diesen Eingriff
in die Naturgesetze auflösen würde. So
bleibt nur sehr wenig, das
der Schüler in den verbleibenden Jahren seines Lebens noch zu ertragen hat, aber selbst
das wird durch die Gnade des Meisters
gemildert. (A)

 

 

Nun zum Nish Kama Karma = Karma, das ohne

irgendeine Gebundenheit oder dem Wunsch nach

seinen Früchten ausgeführt wird.

     Dies steht über allen Arten
von Karma, die mehr oder weniger
eine Quelle der Bindung sind, doch diese
Art hilft ein wenig, um uns von den

karmischen Fesseln zu befreien.

 

   Es ist nur das aus dem Wunsch geborene Karma

oder Karma, das zur Gebundenheit führt.

Darum lehrte Moses: „Begehret nicht“

Buddha: „Seid wunschlos“

Der Zehnte Guru „– URDU –“ Wunschlosigkeit

Das höchste von allen ist ‚Neh-Karma’ zu sein,

d.h. Karmas in Übereinstimmung mit dem

Göttlichen Plan auszuführen, als ein bewußter

Mitarbeiter der Gottes-Kraft.

   Kurz gesagt ist das Gesetz des Karmas

ein unbeugsames und unerbittliches

Naturgesetz, von dem es kein
Entrinnen und keine Ausnahme gibt.

   „Wie man sät, so wird man ernten“

lautet die allgemeingültige Regel für das Erden-Leben.

 

 

II  Law of Karma             Page 3

 

    As you think, so you become.

It is from the abundance of the mind

that the tongue speaks. Every

action has a reaction, for that is Natures

Law of Cause and Effect. One has

therefore to bear the fruit of his actions

Is there no remedy then?

-------------------------------------------------------

(A) Pralabdha Karma. A person has

has no control over them – It is however

possible that one may so mould

and develop his inner Self through

the guidance of Master Soul, they

may not feel this bitter sting just

as the kernel in a ripe almond

or Walnut does not feel the prick

of a needle by getting detached from

the shell without, which as a consequence

gets shrivelled and hardened and

serves henceforth as a protecting

armour –

 

 

It is only when one transcends

the body consciousness and becomes

Neh-karma i.e. action - less

in action like the still point at the

centre of the ever-revolving wheel

of life that a stop is put to the motion

of the Great wheel of karmas, for

then one becomes conscious Co-worker

of the Divine Plan -

That is why Budha said “Be desire_

-less” for desires are the rootcause

of human sufferings - The Spirit,

sitting in the chariot of body is

driven blindly and headlong into

the fields of sensual pleasures by

the five -powerful Steeds of the senses-

uncontrolled by the power – intoxicated

 

 

II  Das Karmische Gesetz

 

   Wie ihr denkt, so werdet ihr.

Unsere Zunge spricht aus der Fülle
des Herzens. Jede
Handlung hat eine Rückwirkung, wie es das Naturgesetz von Ursache und Wirkung bestimmt. Deshalb muß man die Früchte seiner Handlungen ertragen. Gibt es da keine Abhilfe?

----------------------------------------------------------

A) Pralabdha Karma. Der Mensch hat
keine Kontrolle darüber. Es ist jedoch
möglich, daß jemand sein inneres Selbst durch die Führung einer Meisterseele so umgestalten und entwickeln kann, daß er
den bitteren Stachel nicht mehr fühlt,

gerade wie der Kern in einer reifen Mandel
oder Walnuß den Stich

einer Nadel nicht mehr spürt, da er sich von der
äußeren Schale gelöst hat, die als Folge davon
runzelig und hart geworden ist und
forthin als ein schützender
Panzer dient.

 

 

Nur wenn man das Körperbewußtsein
übersteigt und
Neh-Karma wird, d.h. handlungs-los
in der Handlung, wie der stille Punkt im

Zentrum des sich immer-drehenden Lebensrades, wodurch man der Bewegung
der großen Rades des Karmas Einhalt gebietet,

denn dann wird man ein bewußter Mitarbeiter
am Göttlichen Plan.

Das ist der Grund, warum Buddha sagte „Seid wunschlos“, denn die Wünsche sind die Grundursache des menschlichen Leids. Der Geist,
der im Streitwagen des Körpers sitzt,
wird blindlings und kopfüber in
die Gefilde der sinnlichen Vergnügungen getrieben

durch die fünf kraftvollen Rosse der Sinne,

ohne Kraft sie zu beherrschen – das ist der berauschte

 

 

                                       Page 4

 

Charioteer of the mind with the reins

of intellect dangling loose about him

Self-discipline then is of prime

importance and chastity in

thought, word and deed, is the

essential requisite that helps a

person on the path of Self-knowledge

and God knowledge, for

ethical life is a stepping-stone to

spirituality.___

 

Remedy

By being born anew, twice born.

or rising above body consciousness

or dying while alive, he

becomes conscious Co-worker

of the Divine Plan.    - URDU -

 

One therefore to forsake the flesh

for the sake of the Spirit if one is anxious

to escape from the perpetual wheel of

life on the earth.

   But, if one under the guidance of a

Master learns the practical process

of self-analysis, at will and

has an experience of the beyond (Death - in life) angle of vision is altogether changed.

   thereafter continues to live on earth

without attachment.

 

Christ

He that taketh not this cross,

and followeth after me, is not worthy

of me -

He that findeth his life shall lose it

And he that looseth his life for my sake

shall find it.  (Math. 10:38+39)

              ----------------

Luke

And he (Jesus) said to them all:

If any man will come after me,

let him deny himself and take

up his cross daily, and follow me.

                         (Luke 9:23)

            -------------------

And whosoever doth not bear his

cross and come after me, can-

_not be my disciple -  (Luke 14:27)

Thus we see that death in–christ

is the way to live with christ eternally

Learn to die so that You may

begin to live. In muslim it is

- URDU -

          ----------------------

On the power of the Jagat-Guru

it is said: A Jagat Guru can annihilate karmas

 

 

 

 

Wagenlenker des Gemüts, der die Zügel
des Verstandes lose herabhängen läßt.

Selbstdisziplin ist also von wesentlichster
Bedeutung; und Keuschheit in
Gedanken, Worten und Taten ist die
grundlegende Voraussetzung, die
einer Person auf dem Weg der Selbst-
und Gott-Erkenntnis hilft, denn ein
ethisches Leben ist das Sprungbrett zur
Spiritualität.

 

Heilmittel

Werdet von Neuem geboren, zweimal geboren

oder erhebt euch über das Körperbewußtsein

oder sterbt während des Lebens,

dadurch werdet ihr zum bewußten Mitarbeiter
am göttlichen Plan.    - URDU –

 

Daher muß man das Fleisch aufgeben

um des Geistes willen, wenn man bestrebt ist

dem fortwährenden Rad des Lebens
auf Erden zu entfliehen.

   Aber wenn einer unter der Führung von einem

Meister den praktischen Prozeß
der willentlichen Loslösung des Selbst erlernt,
und eine Erfahrung des Jenseits (vom Tod im Leben) erlangt, dann ändert sich seine Sicht vollkommen.

Danach lebt man auf Erden weiter
ohne jede Gebundenheit.

 

Christus

Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt

und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert.

 

Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren;

und wer sein Leben verliert um meinetwillen,
der wird’s finden.“ (Matt. 10:38+39)

              ----------------

Lukas

Da sprach er (Jesus) zu ihnen allen:

Wer mir folgen will,
der verleugne sich selbst und nehme
sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach. 
(Lukas 9:23)

            -------------------

„Und wer nicht sein Kreuz trägt
und mir nachfolgt, der kann
nicht mein Jünger sein.“ (Lukas 14.27)

So sehen wir, daß der Tod in Christus

der Weg ist, um mit Christus ewiglich zu leben.

Lerne zu sterben, daß du
beginnen kannst zu leben. Bei den Moslems heißt das …. – URDU -

            -------------------

Über die Kraft des Jagat-Guru
heißt es: Ein Jagat-Guru kann die Karmas vernichten

 

 

III  Law of Karma                       Page 5

 

by his look and Word –

          ----------------------

In his presence, the karmas fly

like autumn leaves before a wind

          ----------------------

Scriptures

Great is the power of the retributive

angel, and none can escape its Jury,

But it doth fly in fear of death,

before the wounding blast of the Word

 

- URDU -... By sitting in the radiation of the Master

mind stands still for a while

There are two ways to exhaust or

finish up the Vast and limitless store-

-house of karmas -

(a) To leave it to Nature to exhaust the

storehouse in due course of time,

(b) To obtain from a Master-soul

a practical knowledge of and

experience of the Science of Life, on

the earthly as well as the spiritual

planes, and to work right now for

transcension from one to the

other, while there is still a chance and

and opportunity:

   The first course will take

him periods of years to reach the goal

    which is uncertain as further acknowledge

By adopting the second Course, one

seeks a competent Spiritual Master

who can wind up the karmic accounts

of the bankrupt spirit. When such a

Master takes in His own Hand this

process of liquidating the endless process

of karma of the past - He calls a halt

   “So far and no further”, and

puts the individual on High Road

Godward - He does not usually

interfere with the Pralabdh or destiny,

while the Sanchit  He singes by

contacting the spirit with the

spark of Naám  - Contact with Nám

or the Holy World reduces to ashes

as well as the unfructified Kriyaman

Karmas done hitherto –

Guru Nanak tells us – ‘Jap Ji – XX’

“When the hands or feed...

When the clothes get durty…

When ones’ mind get defiled by

sin, it can be purified only by

Communion with the Word.

Men do not become saints and sinners

merely by words – as one sows

 

 

III  Das Karmische Gesetz

 

durch seinen Blick und das Wort –

          ----------------------

In seiner Gegenwart fliegen die Karmas

fort wie die Herbstblätter im Wind

          ----------------------

Heilige Schriften

Groß ist die Macht des Engels der Vergeltung,

und niemand kann seinem Gericht entgehen,

aber er flieht in Todesfurcht

vor dem bedrohlichen Windstoß des Wortes.

 

- URDU -... Wenn man in der Ausstrahlung des Meisters sitzt, kommt das Gemüt für eine Weile zur Ruhe.

Es gibt zwei Wege, das gewaltige und
unbegrenzte Vorratshaus der Karmas zu entleeren
oder zu schließen:

a) Man überläßt es der Natur, das Vorratshaus

im Laufe der Zeit zu entleeren,

b) oder man bekommt von einer Meister-Seele das praktische Wissen und
eine Erfahrung von der Wissenschaft des Lebens,

auf den irdischen wie auch auf den spirituellen
Ebenen, um in diesem Augenblick an dem
Überschreiten von der einen zur
anderen zu arbeiten, solange noch die Aussicht und

eine Gelegenheit  dazu besteht.

   Auf dem ersten Weg braucht man
eine [unendliche] Spanne von Jahren, um das Ziel zu erreichen, was zudem recht ungewiß ist.

Beim Aufnehmen des zweiten Weges sucht
man einen kompetenten Spirituellen Meister,
der die karmischen Konten des

bankrotten Geistes abwickeln kann. Wenn ein solcher Meister diesen Vorgang der Auflösung der endlosen Kette der Karmas aus der Vergangenheit in Seine Hände nimmt, dann gebietet er Einhalt:
„Bis hierher und nicht weiter!“

und stellt den Einzelnen auf den erhabenen Weg
zu Gott. Gewöhnlich greift er
nicht in das Pralabdha oder Schicksal ein -

während er das Sanchit durch
Verbinden des Geistes mit dem Funken von Naam verbrennt - die Verbindung mit Naam
oder dem Heiligen Wort verbrennt sie,

wie auch die Kriyaman Karmas, die bisher noch keine Frucht getragen haben.

Guru Nanak erzählt uns im ‚Jap Ji – XX’:

„Wenn die Hände oder Füße ...

Wenn die Kleider beschmutzt sind ...

Wenn das Gemüt durch Sünden befleckt ist,

kann es nur durch die Verbindung
mit dem Wort gereinigt werden.

Zu Heiligen oder Sündern werden die Menschen

nicht bloß durch Worte - wie man sät

 

 

                                       Page 6

 

...so one reaps.

O Nanak, men come + go by the

wheel of birth and death as ordained

by His Will -

 

Guru Nanak  

 

Our actions good or evil,

will be brought before His court -

And by one own deeds, shall

we move higher or be cast

to the depths-

Those who have communed

with the Word, their toils shall

end -

And their faces shall flame

with glory.

Not only shall have salvation,

                                   O Nanak!

But many more shall find

freedom with them.

It is, therefore, of paramount

importance that we should

seek a Master competent

to wind up the otherwise

endless cycle of karmas

and seek refuge at His

Lotus feet and free ourselves

of the bewitching influence of

our deeds -

          _______________________________

 

                        - URDU –

 

           _______________________________

 

 

 

 

so erntet man.

O Nanak, die Menschen kommen und gehen

durch das Rad der Geburten und Tode nach
seinem Willen
.

 

Guru Nanak

 

Unsere Handlungen, ob gut oder schlecht,

werden vor Sein Gericht gebracht,

und durch unsere eigenen Taten werden wir

aufwärts steigen oder
in die Tiefe geworfen.

Jene, die sich mit dem Wort verbunden
haben, deren Mühen werden
enden,

und ihr Antlitz wird voll Glanz
erstrahlen.

Nicht nur werden sie erlöst 

                                            O Nanak!

sondern viele andere werden mit ihnen
die Freiheit finden.

Daher ist es von herausragender
Bedeutung, daß wir
einen kompetenten Meister suchen,

um den sonst endlosen
Zyklus der Karmas abzuwickeln

und zu seinen Lotusfüßen Zuflucht
zu suchen und uns von dem
bestrickenden Einfluß unserer Taten
zu befreien.

          _______________________________

 

                        - URDU –

 

           _______________________________

 

 

 

 

 


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